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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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und Geschirr spülen.

    I ch weiß nicht, ob jemand sich vorstellen kann, wie das ist: siebzehn Gräber zu besuchen, in denen Leute liegen, die man gekannt hat und denen man jeden Tag begegnet ist. Ich sah alle siebzehn Gesichter wieder vor mir. Bei manchen hatte mein Herz regelmäßig vor Freude einen kleinen Hüpfer gemacht, manche waren einfach nur vertraut, zwei oder drei hatte ich nicht sonderlich gemocht. Aber alle hatten zu meinem Leben gehört, und jetzt waren sie hier, und ich war woanders.
    Ich stellte mir vor, wie ihre Gesichter jetzt aussahen. Manche waren wahrscheinlich von Schüssen zerfetzt. Vielleicht fehlte ihnen die Nase, oder eine Kugel war durch ihr Auge gedrungen. Aber selbst die anderen Gesichter waren mittlerweile zerstört. Das Fleisch verfärbte sich grünlich und fiel von den Knochen ab. Und Würmer kletterten darin rum und schmatzten zufrieden.
    Ich weiß, es ist keine gute Idee, über so was nachzudenken, aber das kam irgendwie von alleine. «Da geht wohl wieder die Phantasie mit dir durch», hatte meine Mutter früher immer gesagt. Und selbst dafür hatte ich ein Bild vor Augen: die Phantasie, das war eine hohe, dünne Gestalt mit flatternden Gewändern, halb durchsichtig, irisierend und schimmernd, und wenn sie mit mir durchging, hielt sie mich an der Hand und flog mir voraus in den Himmel.
    Hier auf dem Friedhof ging sie auch wieder mit mir durch, aber sie hatte die Flugrichtung geändert. Es war definitiv nicht der Himmel, wo sie mich hinführte, sondern das genaue Gegenteil davon. Das hatte sie sich in letzter Zeit leider angewöhnt. Ich hätte mich vielleicht von ihr trennen sollen. Sie tat mir einfach nicht mehr gut.
    Aber dass mein Vater hier war, dass er neben mir stand und an Melodys Grab den Arm um meine Schultern legte und so tat, als wäre mein Schluchzen nur ein ganz normales Nasehochziehen – das tat mir gut. Und dass er keine Fragen stellte, keine blöden Betroffenheitssprüche blubberte, mich nicht zu trösten versuchte. Einfach nur, dass er da war, wie ein dicker alter Baum, der auch die nächsten fünfhundert Jahre am selben Fleck stehen wird und alles erträgt. Vielleicht ist man ja mit fünfzehn zu alt für so was, aber ich drehte mich zu ihm um und legte beide Arme um ihn, und er legte seine um mich, und wir standen ganz lange einfach nur da und sagten kein Wort.

[zur Inhaltsübersicht]
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    D ie Bio-Klausur ist ein totales Desaster. Am meisten ärgere ich mich darüber, dass eigentlich alles, was abgefragt wird, im Buch beschrieben stand – aber ich habe so unkonzentriert gelernt, dass ich es mir nicht merken konnte, und jetzt sitze ich vor diesem verfluchten Blatt Papier und krieg es einfach nicht mehr zusammen. Zum ersten Mal in meinem Leben schiele ich rüber aufs Nachbarpult, aber ich kann nichts erkennen.
    Drei von sechs Fragen kann ich überhaupt nicht beantworten, und bei zweien schreibe ich irgendeinen Stuss, der das eigentliche Thema wahrscheinlich bloß am Rande streift. So ein Mist! Ich fange an, mir Sorgen zu machen. Auf meiner neuen Schule hab ich schon ganz schön viel vergurkt. Mein Deutschlehrer hasst mich, mein Geschichtslehrer hat mich auf dem Kieker, in Französisch versteh ich nur gare , und jetzt bin ich auch noch dabei, meine Bio-Note zu ruinieren.
    Wenn mein Vater das rauskriegt, dreht er durch. Der bringt das fertig und verbietet mir die Cosmic Shocks. Blöderweise hätte er damit sogar irgendwie recht, denn wahrscheinlich sind die der Hauptgrund für meine Verpeiltheit. Aber ich will Musik machen! Ich scheiß auf gute Noten, ich scheiß sogar auf mein Abitur – ich will einfach nur Musik machen!
    Ach, Quatsch. Das ist gelogen. In Wirklichkeit macht es mir ganz schön was aus. Schließlich hab ich mir immer was auf meine guten Leistungen eingebildet. Und darauf, dass ich eben alles konnte: Schule, Hobbys, mit Menschen umgehen, ein vorbildlicher Sohn sein. Ich nehme mir fest vor, von jetzt an richtig fleißig zu lernen, meine Rückstände aufzuarbeiten und mich in allen Fächern immer so gut vorzubereiten, dass ich mündlich zu den Besten gehöre.
    Dabei komme ich mir ein bisschen vor wie jemand, der sich an Neujahr vornimmt, das Rauchen aufzugeben.

    A m Sonntag kam Uwe zum Abendessen. Ich fand die Idee total scheiße und hatte auch allerhand versucht, um meine Mutter umzustimmen, aber selbst mein Vater meinte, sie wären doch erwachsene Menschen und Uwe würde ja jetzt sozusagen zur Familie gehören und es hätte schließlich keinen

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