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Klassenziel (German Edition)

Klassenziel (German Edition)

Titel: Klassenziel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Wegberg
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Schulter.
    Sie wollen noch mehr sehen. Ich zeige ihnen Fotos von Nick, von seinem Grab, von den Gräbern der anderen, von unserer Schule mit den ganzen Kerzen und Plüschtieren davor, schließlich auch die Bilder, wo ich mit den Burst Frenchies auf der Bühne stehe. Ich zeige ihnen mein gesamtes bisheriges Leben. «Boar, wie super süß du aussiehst mit offenen Haaren!», quietscht Kenji. «Nimm sofort dieses blöde Zopfgummi weg!»
    «Genau! Unbedingt!», fordert auch Luna. Becky fackelt nicht lange, sie zieht einfach daran und schmeißt es in den Papierkorb.

    I ch zog die Kiste aus dem Regal und hatte für einen Moment Plätzchenduft in der Nase. Das Ding war sauschwer. Ich musste es mit beiden Armen umklammern. Während ich die ersten Stufen hochstieg, wurde es noch schwerer. Und mir wurde wieder schwindelig, aber diesmal so richtig. Ich hatte keine Hand frei, um mich am Geländer festzuhalten. Die Treppe schlingerte unter meinen Füßen. Ich kam mir vor wie ein Cowboy beim Rodeo. Eine Zeitlang konnte ich mich oben halten, aber dann verlor ich endgültig das Gleichgewicht. Ich kippte nach hinten weg.

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    A ls ich die Schritte meines Vaters auf der Treppe höre, ist es viel zu spät, um noch irgendwas in Ordnung zu bringen. Er klopft und kommt rein, und der Anblick, der sich ihm bietet, ist für einen Erwachsenen bestimmt sehr verwirrend. Woher soll er wissen, dass Becky mit offener Hose rücklings auf meinem Bett liegt, weil sie gerade eine Jeans von mir anprobiert und den verflixten Reißverschluss nicht zukriegt? Und dass Luna ihr bloß behilflich sein wollte? Und dass Kenji auf meinem Schoß sitzt, weil ich nur einen Stuhl habe, wir aber zusammen die Fun-Videos bei Bambusratte angucken wollen?
    Natürlich lässt Luna sofort von dem Reißverschluss ab, Becky setzt sich – mit nach wie vor offener Hose – aufrecht hin, und Kenji schießt wieder sein ganzes Feuerwerk japanischer Höflichkeit ab, auch wenn er keine Anstalten macht, von mir runterzugehen: «Hallo, Herr van Arcen! Es sind noch Spaghetti übrig, möchten Sie vielleicht auch welche?»

    D as Nächste, was ich sah, war der Mond. Nicht mehr ganz voll, aber groß und weiß. Er schien durch ein Fenster, ich lag in einem Bett, und bis auf das Mondlicht war es im Raum dunkel. Mein Zimmer war das definitiv nicht. Dieser Raum hier war viel größer. Es schienen mehrere Betten darin zu stehen. Aber beim Versuch, mich zu orientieren, bekam ich furchtbare Kopfschmerzen, und dann muss ich wohl wieder eingeschlafen sein.
    Beim nächsten Erwachen war es Tag. Ich lag offenbar im Krankenhaus. Mit etwas Konzentration konnte ich mich an den Sturz von der Kellertreppe erinnern wie an ein Ereignis, das jahrelang zurückliegt. Vielleicht tat es das ja auch. Vielleicht war ich inzwischen neunundsechzig, hatte einen grauen Bart und keine Angehörigen mehr, und ich war in einem Pflegeheim gelandet, weil keiner sich getraut hatte, die lebenserhaltenden Maschinen abzuschalten. Ich hatte einen pelzigen Geschmack im Mund und überlegte, ob die Pflegeschwestern wohl genügend Zeit hatten, mir die Zähne zu putzen.
    Unter Schmerzen drehte ich den Kopf weit genug, um die Leute in den anderen Betten sehen zu können. Sie waren alle grauhaarig und alt. Einer war möglicherweise schon tot, jedenfalls lag er steif auf dem Rücken und hatte die Lider über seinen eingefallenen Augen geschlossen, den Mund dagegen halb geöffnet. Ich vergaß das Zähneputzen und überlegte, ob die Pflegeschwestern wohl genügend Zeit hatten, um die Leichen wegzuräumen.

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    I ch verstehe ja, dass mein Vater wütend ist. Wie gesagt, in den letzten Tagen hab ich wirklich eine Menge Scheiße gebaut. Aber für das meiste hab ich mich schon entschuldigt, und muss er wirklich so dermaßen abgehen? Nur weil wir vergessen hatten, nach dem Spaghettiessen den Tisch abzuräumen und die Küche sauber zu machen? Nur weil wir damals auch die beiden Flaschen Wein leer gemacht haben? Nur weil ich heute wieder zu spät nach Hause gekommen bin? Nur weil ich am Sonntag den ganzen Tag Probe habe und deshalb nicht mit ihm zum Kajakfahren gehen kann?
    «Am Freitag ist unser Auftritt!», sage ich. «Weißt du, wie viel wir bis dahin noch machen müssen? Das ist ein totaler Kraftakt, Mann!»
    «Ich bin mir noch gar nicht sicher, ob ich dir überhaupt erlauben soll, da aufzutreten. Und red gefälligst anständig mit mir, ja?»
    «Noch gar nicht sicher? Was soll das denn

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