Klatschmohn
bei ihm einzuziehen. Er war Junggeselle geblieben; offiziell war nie die Richtige dabei gewesen, meines Erachtens hatte er sich einfach nicht geoutet. Der Einsatz, den Onkel Heinz an den Tag gelegt hatte, um einen wirklich niedlichen Zivi als Pfleger zu behalten, überstieg ein normales Maß bei weitem. Auch die Tatsache, dass seine ansonsten geschmackvolle Jugendstilwohnung mit Fotos von eben genanntem Jüngling voll gepflastert war, bestärkte mich in meiner Ahnung.
>Großvatergefühle< hieß es offiziell, inoffiziell schwärmte er von seinen blauen Augen und apollogleichen Lippen.
»Pia, du hast immer ein Plätzchen bei deinem Onkel Heinz sicher«, pflegte er zu sagen. Die Aussicht, irgendwann bei Onkel Heinz einziehen zu müssen, gab mir, so lieb ich ihn auch hatte, immer wieder Energie, die Suche nach einem passenden Deckel nicht aufzugeben.
Meine Mutter fragte interessiert nach Leander, denn natürlich war meine Heimatstadt bereits über das anstehende Interview informiert. Dafür hatte sie gesorgt. »Also ich finde ihn sehr seriös. Du weißt, wir schauen nur öffentlich-rechtlich und 3Sat. Er ist einfach kompetent, hat Charisma und ist dabei nicht aufdringlich. Wobei dein Vater ihn ja nicht so mag. Aber ich finde ihn fabulös. Halte mich ja auf dem Laufenden, Kindchen, hörst du.«
Ich versprach, immer brav Bericht zu geben, und verabschiedete mich.
Nach der Arbeit fuhr ich zu Katharina, die zu einem Spätsommerfest geladen hatte. Natürlich reine Tarnung, um sich von ihrem Bruder Herbert Kandidaten mit Potenzial vorstellen zu lassen. Zum Glück hatte ich das nicht mehr nötig; mein Glück mit Leander war quasi besiegelt. Die von Steinbecks wohnten nicht, sondern residierten in einer mehr als großzügigen Villa, die von einem herrlichen Gartenanwesen umgeben war. Man hatte immer ein bisschen das Gefühl, bei den Carringtons zu sein.
Im Einfall des späten Sommerlichts sah dieses Fleckchen Erde besonders idyllisch aus. In der Einfahrt parkten glänzende Luxuswagen, und ich stellte meinen nicht mehr ganz rostfreien daneben.
Katharina eilte mir in einem langen Kleid mit hohem Schlitz entgegen. Sie fuchtelte nervös mit den Händen und schien seltsam aufgeregt. Es musste etwas passiert sein.
Noch bevor sie mich aufklären konnte, hatte ich ihn entdeckt. Da stand er: groß, graue Schläfen, volle Lippen, eine ausgeprägte Nase, feurige, intelligente Augen, zu schön, um wahr zu sein. Leander Berglandt in Fleisch und Blut. Mein Herz raste, mir wurde speiübel.
»Katharina, ich kann ihn unmöglich so treffen. Ich bin nicht vorbereitet.
Schau mal, wie ich aussehe.« Es war zu spät. Herbert, im Bewusstsein, mir etwas Gutes zu tun, kam direkt auf mich zu, mit keinem Geringeren als Leander Berglandt im Schlepptau. Ich dachte kurz, die Sonne würde Herbert blenden, bis ich erkannte, dass er mir verschwörerisch zuzwinkerte.
»Hallo, Pia, schön, dass du da bist. Darf ich dich mit Leander Berglandt bekannt machen?« Herbert war in seinem Element.
Hoffentlich erwähnt er unsere anstehende Zusammenarbeit nicht, sonst sieht das auch noch eingefädelt aus, ging es mir durch den Kopf. Doch Herbert schien bemerkt zu haben, dass ich nicht allzu erfreut aussah.
»Schön, Sie kennen zu lernen. Ich schaue gerne ihre Sendungen.« O Gott, wie banal. >Ich schaue gerne ihre Sendungen.« Das hätte ja Tante Eda besser hinbekommen.
Leander schien das nicht zu stören. Wahrscheinlich traf er öfter auf Frauen mit Karnickelstarre. »Und was machen Sie, Pia, wenn ich fragen darf?«
»Ich bin sozusagen eine alte Freundin der Familie«, zog ich mich aus der Affäre. »Aber wenn Sie jetzt denken, ich bin die Haustherapeutin Dr. Cornelius, haben Sie sich getäuscht.« Na, das war doch mal ein witziger Ansatz. Warum nur blickte Katharina so seltsam säuerlich? »Ich komme gerade aus dem Büro und muss mich noch umziehen, Sie entschuldigen.«
Mit schnellen Schritten entfernte ich mich vom Ort des Geschehens.
Katharina hinterher. »Pia, das war nicht taktvoll, Dr. Cornelius zu erwähnen. Wie stehen wir denn jetzt da!«
»Entschuldige, ich hab versucht, schlagfertig zu sein, stattdessen hab ich es vermasselt. Ich fahre am besten nach Hause und lasse das Interview den Schröder machen, wie Stader es vorgeschlagen hat.«
Katharina schnaubte. »Nichts dergleichen wirst du tun. Du kommst jetzt mit nach oben. Ich leihe dir was, du schminkst dich und fängst das Ganze von vorne an. Wegrennen kannst du immer noch.«
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