Klatschmohn
würde sie mir Tarotkarten legen oder eine neue Zusammensetzung von Bachblüten empfehlen. Und wenn gar nichts mehr half, gab es einen heilenden Stein. Muss ich noch erwähnen, dass Lilli neuerdings auf dem Esoteriktrip war?
Dabei hatte sie einen sexy Job bei einem Privatsender, sah aus wie die kleine Schwester von Meg Ryan und ließ in Sachen Stil Jackie Kennedy wie eine Kassenpatientin aussehen. Die Esoterik war ihr eher Mittel zum Zweck, um endlich den passenden Mann und die innere Mitte zu finden.
»Danke, Lilli, lieb von dir.«
Mir schwante, dass Katharina mich nicht so einfach davonkommen lassen würde. Und richtig, innerhalb kürzester Zeit listete sie meine Verfehlungen und Desaster der letzten Jahre auf.
»Na schön, Pia, ich darf dich erinnern: Im zarten Alter von 27 Jahren hast du Marc abblitzen lassen, mit der Erklärung, du fühltest dich noch zu jung für eine Beziehung. Übrigens habe ich mit 26 mein erstes graues Haar entdeckt. Danach kam Patrick, dem du erzähltest, du würdest für ein Jahr nach Indien in eine Meditationsgruppe gehen, und vor dem wir uns regelmäßig verstecken, wenn wir ihn zufällig von weitem in der Stadt sehen. Wie viel Mühe die Beantragung einer neuen Telefonnummer plus Bestechung deiner Eltern gekostet hat, will ich erst gar nicht erwähnen. Und wäre David nicht freiwillig zu seiner Ex zurückgegangen, hättest du deine plötzliche Neigung zu Frauen entdeckt, wofür entweder Lilli oder ich als Alibi hätten fungieren müssen, was ich übrigens immer noch geschmacklos finde.«
»Hör auf, es reicht. Was willst du damit sagen?«
»Na, dass es endlich Zeit wird, dein Problem anzugehen.«
»Welches Problem denn?«, fragte ich erstaunt.
Katharina und Lilli schauten sich viel sagend an.
Aha, sie sprachen anscheinend öfter über mein Problem.
»Du bist komplett bindungsunfähig«, klärte Katharina mich auf. »Du rennst vor jeder Beziehung davon, die eine Chance hätte, ernsthafter zu werden«.
Da saß sie, die Reinkarnation von Greta Garbo und Marlene Dietrich, die Personifikation aller Diven. Katharina von Steinbeck, Chanel-Kostüm, Turban und eine Zigarettenspitze in der Hand. Bei jedem anderen hätte es lächerlich gewirkt, nachgestellt, nicht so bei Frau von Steinbeck. Sie war die Einzige, die es schaffte, mittags am Badesee mit Federboa und Hut zu erscheinen und dabei noch würdevoll auszusehen.
»Und was soll ich eurer Meinung nach dagegen machen?«, fragte ich erstaunt.
Wieder wechselten die beiden Blicke, und mir wurde klar, dass die Lösung meines Problems auch schon feststand.
»Du gehst natürlich zu Dr. Cornelius und sprichst mit ihr.«
Dr. Gabriele Cornelius war die befreundete Haustherapeutin derer von Steinbecks und verdiente ein Vermögen an den Neurosen der Familie.
»Ach, ich weiß nicht, ob das was für mich ist.« Ich dachte daran, wie viele Jahre Katharina bereits bei der Frau Doktor in Therapie war, erfolglos, wie ich fand, denn ihre Neurosen hatten sich nicht gebessert.
»Pia, du gehst da hin. Ich besorge dir eine Probestunde.« Katharina verschluckte sich vor lauter Aufregung am Qualm ihrer Zigarette.
»Ich dachte, du wolltest aufhören zu rauchen«, bemerkte Lilli, wohl wissend, dass sie einen wunden Punkt ansprach.
Katharina überhörte die Spitze und wandte sich stattdessen leider wieder an mich. Mir blieb nichts übrig als einzuwilligen.
»Bevor ich es vergesse. Witta hat bereits angerufen, um zu fragen, wie dein Date denn so gelaufen ist«, ließ mich Lilli wissen.
Witta die Widerliche! Keinem von uns war klar, mit welchem Vergehen wir uns Witta eingehandelt hatten.
Anfangs war sie sehr nett gewesen, hatte uns von der schweren Zeit erzählt, als ihr Mann plötzlich gestorben war, und wir hatten ihr viel Mitgefühl und Bewunderung dafür entgegengebracht, wie tapfer sie sich schlug.
Nächtelang waren wir da gewesen, um ihr Gehör zu schenken und sie von sich sprechen zu lassen.
Irgendwann war das Thema Verstorbener durch gewesen, doch daran, dass sie nur von sich erzählte, änderte sich nichts.
Wann immer Lilli, Katharina oder ich etwas loswerden wollten, hörte Witta kurz zu, nur um nicht darauf einzugehen, sondern jeden Ansatz eines Gesprächs im Keim zu ersticken mit einem: »Ach, das kenne ich. Das ist mir auch mal passiert, nur war es bei mir noch schlimmer, weil…«
So führte sie einen Monolog nach dem anderen, in dem sie nur kurz innehielt, um uns an den ihrer Meinung nach richtigen Stellen
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