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Kleine freie Männer

Kleine freie Männer

Titel: Kleine freie Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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dürre Gestalt saß hinter einem kleinen Tisch. Die Frau hatte eine schmale, spitze Nase und trug einen großen schwarzen Strohhut mit Papierblumen. Er passte überhaupt nicht zu dem Gesicht.
    »Bist du eine Hexe?«, fragte Tiffany. »Ich hätte nichts dagegen.«
    »Wie kannst du jemanden mit einer solchen Frage überfallen?« Die Frau wirkte ein wenig schockiert. »Euer Baron hat Hexen in seinem Land verboten, das weißt du ja wohl, und trotzdem fragst du mich sofort, ob ich eine Hexe bin? Warum sollte ich eine Hexe sein?«
    »Du trägst schwarze Kleidung«, sagte Tiffany.
    »Jeder kann schwarze Kleidung tragen«, erwiderte die Frau. »Das bedeutet nichts.«
    »Und du hast einen Strohhut mit Papierblumen auf«, fuhr Tiffany fort.
    »Aha!«, sagte die Frau. »Das ist der Beweis. Hexen tragen große, spitze Hüte. Das weiß jeder, dummes Kind.«
    »Ja, aber Hexen sind auch sehr schlau«, sagte Tiffany ruhig. Das Funkeln in den Augen der Frau veranlasste sie weiterzusprechen. »Sie schleichen umher. Wahrscheinlich sehen sie nicht oft wie Hexen aus. Und eine Hexe, die hierher käme, wüsste vom Baron und würde einen Hut tragen, von dem alle wissen, dass eine Hexe ihn nicht trägt.«
    Die Frau musterte sie. »Das ist außerordentlich gut überlegt«, sagte sie schließlich. »Du wärst eine gute Hexensucherin. Weißt du, dass man Hexen früher verbrannt hat? Welchen Hut auch immer ich trage, für dich wäre er ein Beweis dafür, dass ich eine Hexe bin, nicht wahr?«
    »Auch der Frosch auf dem Hut gibt einen Hinweis«, sagte Tiffany.
    »Eigentlich bin ich eine Kröte«, sagte das Wesen, das zwischen den Papierblumen hockte und Tiffany beobachtet hatte.
    »Für eine Kröte bist du sehr gelb.«
    »Ich war ein wenig krank«, sagte die Kröte.
    »Und du sprichst«, stellte Tiffany fest.
    »Du hast nur mein Wort«, sagte die Kröte und verschwand hinter den Papierblumen. »Du kannst nichts beweisen.«
    »Du hast doch keine Streichhölzer dabei, oder?«, wandte sich die Frau an Tiffany.
    »Nein.«
    »Gut, gut. Wollte nur sicher gehen.«
    Wieder war es einige Sekunden still, während die Frau einen nachdenklichen Blick auf Tiffany richtete.
    »Ich heiße Fräulein Tick«, sagte sie schließlich. »Und ich bin eine Hexe. Es ist natürlich ein guter Name für eine Hexe.«
    »Soll er vielleicht darauf hinweisen, dass du einen Tick hast?«, fragte Tiffany und runzelte die Stirn.
    »Wie bitte?«, erwiderte Fräulein Tick kühl.
    »Nervöse Zuckungen und dergleichen«, erklärte Tiffany. »Oder meinst du Tick wie in >du tickst nicht richtig    »Ich meine, dass es nach Mystik klingt«, sagte Fräulein Tick.
    »Oh, ein Wortspiel. In dem Fall könntest du auch >Tisch< heißen, wie in >mystisch< und >enigmatisch<, oder >Vdl< wie in >geheimnisvoll<, oder...«
    »Bestimmt kommen wir bestens miteinander zurecht«, sagte Fräulein Tick. »So gut, dass es vielleicht keine Überlebenden gibt.«
    »Bist du wirklich eine Hexe?«
    »Ja«, sagte Fräulein Tick. »Ich bin wirklich eine Hexe. Ich habe ein sprechendes Tier, neige dazu, andere Leute zu korrigieren, stecke meine Nase gern in fremde Angelegenheiten und, ja, ich trage einen spitzen Hut.«
    »Kann ich jetzt die Feder bedienen?«, fragte die Kröte.
    »Ja«, sagte Fräulein Tick, den Blick weiter auf Tiffany gerichtet. »Betätige die Feder.«
    »Es macht mir Spaß, die Feder zu bedienen«, sagte die Kröte und kroch zum hinteren Teil des Hutes.
    Es klickte, und ein leises Fwep-fwep erklang, als der mittlere Teil des Hutes langsam und ruckartig nach oben fuhr. Die Papierblumen fielen zur Seite.
    »Ah...«, sagte Tiffany.
    »Hast du eine Frage?«, erkundigte sich Fräulein Tick.
    Mit einem letzten Fwop richtete sich die Hutmitte auf und bildete eine perfekte Spitze.
    »Woher weißt du, dass ich nicht wegrenne und dem Baron Bescheid gebe?«, fragte Tiffany.
    »Weil du das gar nicht willst«, antwortete Fräulein Tick. »Du bist absolut fasziniert. Du möchtest selbst eine Hexe sein, nicht wahr? Wünschst du dir vielleicht, auf einem Besen zu fliegen?«
    »Ja!« Tiffany hatte oft vom Fliegen geträumt. Die nächsten Worte von Fräulein Tick brachten sie auf den Boden zurück.
    »Tatsächlich? Trägst du gern dicke, wirklich dicke Unterhosen? Glaub mir: Wenn ich fliegen muss, trag ich zwei Paar aus Wolle, und darüber eine Leinenhose, die nicht sehr feminin wirkt, ganz gleich, wie viele Borten und Tressen man aufnäht. Da oben kann es sehr kalt sein. Das vergessen die Leute. Und dann erst

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