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Kleine freie Männer

Kleine freie Männer

Titel: Kleine freie Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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»Sie konnte alles heilen. Mein Vater meinte, sie konnte bewirken, dass der Brei des Schäfers aufstand und mähte.« Tiffany senkte die Stimme. »Und sie konnte tote Lämmer ins Leben zurückholen...«
    Während des Frühlings und im Sommer war Oma Weh fast immer unterwegs. Die meiste Zeit des Jahres über schlief sie in ihrer alten Hütte auf Rädern, die hinter den Schafherden hergezogen werden konnte. Aber als Tiffany die Alte zum ersten Mal im Farmhaus gesehen hatte, kniete sie vor dem Feuer und schob ein totes Lamm in den großen schwarzen Backofen.
    Tiffany hatte geschrien, und Oma hatte sie vorsichtig hochgehoben, ein wenig unbeholfen, sie auf ihren Schoß gesetzt und zu beruhigen versucht. Sie nannte sie »meine kleine Jiggit«, während auf dem Boden ihre Schäferhunde
    Donner und Blitz mit hündischer Verwunderung zu ihr aufsahen. Mit Kindern konnte Oma nicht besonders gut umgehen, weil sie nicht mähten.
    Als Tiffany schließlich zu weinen aufhörte, weil sie außer Atem war, setzte Oma Weh sie ab und öffnete den Backofen, und die kleine Tiffany beobachtete, wie das Lamm wieder lebendig wurde.
    Später, als sie etwas älter geworden war, fand Tiffany heraus, dass »Jiggit« im Yan Tan Tethera, der alten Zählspra-che der Schäfer, »zwanzig« bedeutete. Die alten Leute benutzten diese Sprache noch immer, wenn sie glaubten, etwas Besonderes zu zählen. Tiffany war Oma Wehs zwanzigstes Enkelkind.
    Und später verstand sie auch die Sache mit dem wärmenden Ofen, der nie wärmer als... warm wurde. Ihre Mutter ließ den Brotteig darin aufgehen, und der Kater Rattenbeutel schlief darin, manchmal auf dem Teig. Es war genau der richtige Ort, um ein schwaches Lamm wiederzubeleben, das nachts im Schnee zur Welt gekommen und halb erfroren war. Weiter nichts. Magie war dabei nicht im Spiel. Aber damals war es Magie gewesen, und es hörte nicht auf, Magie zu sein, nur weil man eine Erklärung dafür kannte.
    »Gut, aber nicht direkt Hexerei«, sagte Fräulein Tick und brach erneut den Bann. »Übrigens muss man nicht unbedingt eine Hexe unter den Vorfahren haben, um eine Hexe zu sein. Es hilft natürlich, wegen der Vererbung.«
    »Du meinst, wie bestimmte Fähigkeiten?«, fragte Tif-fany, und dünne Falten bildeten sich auf ihrer Stirn.
    »Zum Teil, denke ich«, sagte Fräulein Tick. »Aber ich dachte an spitze Hüte, um ein Beispiel zu nennen. Wenn man eine Großmutter hat, die einem ihren spitzen Hut überlässt, spart man viel. Solche Hüte sind sehr schwer zu beschaffen, besonders jene, die stabil genug sind, um einstürzende Farmhäuser auszuhalten. Hatte Frau Weh einen solchen Hut?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Tiffany. »Sie trug fast nie einen Hut, nur bei sehr kaltem Wetter. Dann benutzte sie einen alten Getreidesack als eine Art Kapuze. Äh... zählt das?«
    Zum ersten Mal wirkte Fräulein Tick etwas weniger hart. »Vielleicht«, sagte sie. »Hast du Geschwister?«
    »Ich habe sechs Schwestern«, antwortete Tiffany. »Ich bin die jüngste. Die meisten von ihnen wohnen nicht mehr bei uns.«
    »Und dann warst du nicht mehr das Baby, als du einen kleinen Bruder bekommen hast«, sagte Fräulein Tick. »Der einzige Junge. Muss eine nette Überraschung gewesen sein.«
    Plötzlich ärgerte sich Tiffany über Fräulein Ticks mattes Lächeln.
    »Woher weißt du von meinem Bruder?«, fragte sie.
    Das Lächeln verschwand. Fräulein Tick dachte: Dieses Kind ist scharfsinnig. »Es war nur eine Vermutung«, behauptete sie. Niemand gibt gern zu, jemand anderen ausspioniert zu haben.
    »Wendest du Püschologie bei mir an?«, fragte Tiffany scharf.
    »Ich glaube, du meinst Psychologie«, sagte Fräulein Tick.
    »Was auch immer. Du glaubst, ich mag ihn nicht, weil meine Eltern so viel Aufhebens um ihm machen und ihn verwöhnen, stimmt's?«
    »Ich habe an diese Möglichkeit gedacht«, sagte Fräulein Tick und schob die Sache mit dem Ausspionieren beiseite. Sie war eine Hexe, und damit hatte es sich. »Ich bin darauf gekommen, weil du ihn als Köder für ein schreckliches Ungeheuer benutzt hast - das hat mir einen Hinweis gegeben«, fügte sie hinzu.
    »Er ist einfach ein Ärgernis!«, entfuhr es Tiffany. »Er stiehlt mir die Zeit, und ich muss mich immer um ihn kümmern, und er will dauernd Süßigkeiten. Außerdem musste ich mir schnell etwas einfallen lassen.«
    »In der Tat«, erwiderte Fräulein Tick.
    Tiffany achtete nicht darauf. »Oma Weh hätte etwas gegen Ungeheuer in unserem Fluss unternommen«, fuhr sie fort.

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