Klex in der Landschaft
In den zwanziger und dreißiger Jahren ging der Umsatz sogar noch weiter zurück, bis einzig ein Dutzend brauereieigener Gaststätten in Worfordshire die Erzeugnisse des Hauses Handyman anboten; ein Gefühl der Loyalität zur Familie zwang deren Gäste zum Vertilgen von Boothroyds entsetzlichem Gesöff – und die Weigerung der zuständigen Bürokraten (zu denen auch Boothroyd gehörte), irgendwem sonst die Genehmigung zum Ausschank alkoholischer Getränke zu erteilen. Inzwischen war es mit den Handymans so weit gekommen, daß sie nur noch einen Flügel des Hauptgebäudes bewohnten, und den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatten sie damit gefeiert, daß sie dem Kriegsministerium den Rest ihres Anwesens zur Verfügung stellten. Boothroyd starb im Dienst bei der Bürgerwehr, und an seine Stelle trat Mauds Vater Busby; das Herrenhaus diente zunächst als Unterkunft für General de Gaulles Stabschef und die gesamte Exilarmee des damaligen freien Frankreichs und später als Internierungslager für italienische Kriegsgefangene. Der vierte Graf hatte getan, was er konnte, um dem Handyman Ale seine ehemalige Beliebtheit wiederzugeben, indem er auf das Originalrezept zurückgriff, und der Familie ihr einstiges Vermögen wiederzubeschaffen, indem er mit all seinem Einfluß dafür sorgte, daß das Kriegsministerium eine unangemessen hohe Miete für ein Gebäude zahlte, das es gar nicht haben wollte.
Dieser Einfluß, der Handyman-Einfluß, hatte Sir Giles davon überzeugt, daß ihm Schlimmeres widerfahren könne, als Lady Maud zu ehelichen und durch sie einen Sitz im Parlament zu erlangen. Doch wenn er über die zurückliegenden Jahre nachdachte, neigte Sir Giles zu der Ansicht, daß er für den Herrensitz und die gesellschaftliche Anerkennung einen zu hohen Preis bezahlt habe. Damals hatte er von einer Verstandesheirat gesprochen, doch dieser Begriff hatte sich als absolut unzutreffend erwiesen. Nichts an Mauds Äußerem hatte auf eine übertriebene Mäkeligkeit in Sexfragen hingedeutet, und Sir Giles war überrascht, um nicht zu sagen schmerzhaft berührt gewesen, als sie während der Flitterwochen seinen Vorschlag allzu wörtlich genommen hatte, sie, möge ihn ans Bett binden und schlagen. Sir Giles Schmerzensschreie waren einen halben Kilometer die Costa Brava entlang zu hören gewesen und hatten zu einer peinlichen Unterredung mit dem Hoteldirektor geführt. Den ganzen Weg nach Hause hatte Sir Giles stehen müssen und seitdem in einem separaten Schlafzimmer – und bei Mrs. Forthby Zuflucht gesucht, in deren Wohnung in St. John’s Wood wenigstens Verlaß auf Mäßigung war. Daß keine Chance auf Scheidung bestand, machte die Angelegenheit nur noch schlimmer. Ihr Ehevertrag enthielt eine Anwartschaftsklausel, nach der Herrenhaus samt Grundbesitz – für die er Maud hunderttausend Pfund hatte zahlen müssen wieder in ihr Eigentum übergingen, falls er stürbe, ohne Erben zu hinterlassen, oder sich einen Fehltritt zuschulden kommen ließe, der sie vor den Scheidungsrichter brächte. Sir Giles war zwar ein reicher Mann, doch ein Preis von hunderttausend Pfund war zu hoch für seine Freiheit.
Er seufzte und warf einen Blick aus dem Fenster. Lady Maud war verschwunden, dennoch war die Aussicht keineswegs angenehmer geworden. Den Platz von Lady Maud hatte Klex, der Gärtner, eingenommen, der quer über den Rasen in Richtung Küchengarten trottete. Sir Giles musterte die untersetzte Gestalt mit Abscheu. Für einen Gärtner, für einen italienischen Gärtner und ehemaligen Kriegsgefangenen hatte Klex etwas Selbstzufriedendes an sich, das Sir Giles gehörig auf die Nerven ging. Er mochte es, wenn seine Dienerschaft unterwürfig war, und von Unterwürfigkeit fand sich bei Klex keine Spur. Dieser Mistkerl schien zu glauben, das ganze Anwesen gehöre ihm. Sir Giles sah, wie er durch die Tür in der Mauer des Küchengartens verschwand, und dachte über Mittel und Wege nach, wie er sich Klex, Lady Maud und den Herrensitz der Handymans vom Halse schaffen konnte. Da kam ihm eine Idee. *
Lady Maud auch. Während sie durch den Garten trampelte, hier einen Löwenzahn und dort eine Sternmiere entwurzelte, drehten sich ihre Gedanken einzig und allein ums Kinderkriegen.
»Jetzt oder nie«, murmelte sie, während sie eine Nacktschnecke zerquetschte. Zwischen ihren Beinen hindurch konnte sie Sir Giles in seinem Arbeitszimmer sehen und sich zum wiederholten Mal fragen, warum sie ausgerechnet einen Mann mit einem so geringen Pflichtbewußtsein
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