Klingenfieber: Roman (German Edition)
endlich.«
Müde wandte Erenis sich ihm zu. Neeva hatte ihn schon längst erblickt. Der Rittrichter sah eigenartig aus. Fahl und verzerrt. Sein einer Arm fehlte womöglich. Aber mit dem anderen hielt er eine gespannte Armbrust und fuchtelte damit herum. Auch diese Armbrust sah eigenartig aus. An ihrem vorderen Ende baumelte eine Art Schlaufe. Erenis überlegte, wozu diese Schlaufe dienen könnte, und begriff dann: Indem man den Fuß in diese Schlaufe stellte, konnte man diese Art von Armbrust einhändig mithilfe von Beinkraft spannen.
»Ich habe ihn schon beinahe vermisst. Aber eben nur beinahe«, sagte Erenis leise.
»Ich sah ihn schon in Brendin Grya«, stellte Neeva fest. »Er kroch am Boden herum und wimmerte. Du hast also tatsächlich einen sehr hartnäckigen Verehrer.«
»So scheint es.«
»Hört auf zu schwatzen, ihr Gänse!«, herrschte der bleiche Mann, der aussah, als würde er an schwerem Wundfraß leiden. Vielleicht hatte auch die Wüstensonne ihm so zugesetzt. Sein Haar jedenfalls war wie zu Stroh gebacken, mehrfach nassgeschwitzt und dann ausgetrocknet. »Euer Treiben endet hier. Erenis, Kraft meiner Vollmacht durch den Adelsrat der Hochstadt und in Einklang mit den Gesetzen des Hochadels nehme ich dich fest. Du da kannst dich nützlich machen, indem du ihr die Hände fest auf den Rücken fesselst.«
»Du musst von Sinnen sein«, entgegnete Neeva nur.
»Ach? Auf einmal seid ihr wieder beste Freundinnen, ja?«, giftete der Rittrichter. »Gerade eben habt ihr noch versucht, euch gegenseitig Stahl reinzustecken. O bitte, lasst euch durch mich nur nicht stören in eurer Launenhaftigkeit. Dreckiges Mörderinnenpack! Wer ist der alte Mann da? Euer Anstifter etwa?«
»Unser Vater«, sagte Neeva.
»Wie rührend. Vielleicht sollte ich die ganze verrohte Familie hochgehen lassen. Aber leider muss ich zurzeit jeglicher Unterstützung entsagen, dafür habt ihr ja in Brendin Grya alle gemeinsam auf das Hinterhältigste gesorgt. Ich kann mich also augenblicklich nur um Erenis kümmern. Aber ich werde gerne zurückkehren, mit allen entsprechenden Vollmachten.«
Wie war er eigentlich an den Bediensteten vorbeigekommen? Hatten sie ihn passieren lassen wie vorher Erenis? Oder hatte er sie erschossen? Aber dann hätte man es eigentlich klacken hören müssen. Nein, doch nicht: Die beiden Schwestern hatten abwechselnd lautstark gekämpft und gestritten.
»Also los jetzt, wird’s bald?«, herrschte der bleiche Mann. »Ich habe nicht ewig Zeit. Ich kann mich nicht tagelang auf den Beinen halten wie ihr Blutsäuferinnen.«
»Rittrichter?«, wandte jetzt erstmals Erenis das Wort an ihn. »Warum machst du nicht einfach ein Ende und erschießt mich an Ort und Stelle? Du weißt doch, dass das mit dem Überführen an andere Orte niemals funktionieren wird.«
»Ich habe kein Interesse daran, dich zu erschießen. Ich will dich haben , Erenis. Mir sollst du gehören! Darum geht es!«
»Dann ist all das mit den Gesetzen also nur ein Vorwand?«
»Inzwischen ist man meinen berechtigten Forderungen womöglich ein bisschen zu wenig nachgekommen, mag schon sein. Ich arbeite jetzt auf eigene Faust. Passt doch. Dank euch Ludern habe ich ja nur noch eine!«
»Dann mach dich darauf gefasst, auch noch die andere einzubüßen«, sagte Neeva ruhig und trat einen Schritt auf ihn zu.
»Misch dich nicht ein«, zischte Erenis ihr zu. »Das geht dich nichts an. Er erschießt dich einfach. Das hat er mit Hektei auch getan.« War er es eigentlich gewesen, der Hektei erschossen hatte, oder einer seiner Schergen? Sie wusste es schon nicht mehr. Alles in dieser Gasse war so ein furchtbares Durcheinander gewesen. Sie spürte wieder, dass Tränen sie ankamen. Was war denn bloß los mit ihr? Warum war ihr Leben so ein sinnloses, unentwirrbares Gestrüpp?
Neeva lächelte und ging weiter auf den Rittrichter zu, ganz langsam, ganz ruhig. »Aber das wird ihm nichts bringen, nicht wahr? Wenn er mich erschießt, wirst du ihn töten, bevor er nachgeladen hat. Und wenn er dich erschießt, werde ich ihn töten. Du wirst niemals lebend mit ihm mitgehen. Also bleibt ihm nichts mehr zu tun. Er ist überflüssig. Er kann sich vielleicht selbst erschießen, aber auch das ergibt keinen Sinn.«
Dem Rittrichter brach Schweiß aus. Er fuchtelte mit der Armbrust, stieß gutturale Laute hervor. Schließlich kam ihm eine Idee. Er deutete mit der Waffe auf den Mann auf dem Thron. »Aber ich kann ihn erschießen! Und was sagt ihr nun?«
Neeva hielt tatsächlich
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