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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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sie sich, richtete sich weiter auf.
    Aber was war mit Ugon Fahus? Lebte er denn überhaupt? Er rührte sich kein bisschen.
    »Komm ruhig näher. Wir haben schließlich auf dich gewartet.«
    Neevas Stimme klang sachlich. Wenig einladend. Wärme hatte man nie als eine von Neevas Eigenschaften bezeichnen können. Deshalb war sie stets eine so herausragende Klingentänzerin gewesen. Sie war wie der Stahl an sich, höchstens mit Blutstaben verziert.
    »Lebt er?«, fragte Erenis und trat in die Halle. Es gab keinen Teppich, keine Wandbehänge. Alles war feuchter Stein. Ein Feuer flackerte auf einer offenen Stelle und verbreitete zusätzliche Wärme, während der Rauch nach oben stieg in eine Öffnung in der Decke. Aber es hingen Waffen an den Wänden. Klingen. Und Schilde. Die mit einer Spitze in der Mitte versehenen Rundschilde der Wüstenstämme.
    »Er lebt«, bestätigte Neeva. »Er atmet. Er hört. Er denkt und leitet. Aber er kann nicht mehr kämpfen. Ein schwerer Anfall hat ihn niedergeworfen, vor etwas über einem Jahr. Jetzt kämpft er nur noch durch mich. Ich bin seine Hände, sein ungebeugtes Herz, sein Alles.«
    »Dann sind all deine Träume in Erfüllung gegangen. Wo sind die Mädchen?«
    »In Sicherheit.«
    »Wie viele sind es?«
    »Erst sechs. Wir nehmen die, die ihre Eltern nicht mehr haben wollen. So wie bei uns damals. Oder haben deine Eltern nicht auch dich mit Erleichterung weggegeben?«
    »Meine Eltern lebten nicht mehr. Aber meine Gnadeneltern hatten Angst vor ihm. Weil er mich wollte, vertrauten sie mich ihm an.«
    »Ah, wie ich das hasse«, platzte es aus Neeva hervor. »Du hast dich schon immer für etwas Besonderes gehalten.«
    »Ich sage nur die Wahrheit. Neeva, ich will, dass es aufhört. Sieh uns doch an. Die wenigen, die davongekommen sind. Ladiglea haust in der Hochstadt in einer Zelle, weil sie den Verstand verloren hat. Hektei und ich, wir lebten nur von Kampf zu Kampf. Wir haben nie etwas anderes kennengelernt. Und dich zerfrisst deine sinnlose Treue. Ihr habt diesen Mädchen nichts zu geben außer Grausamkeit und Trübsinn.«
    »Sie haben es gut bei uns. Sie bekommen zu essen. Wir geben ihnen eine Zukunft, denn wir machen sie stark. Was haben diese Mädchen sonst zu erwarten? Verschleppt zu werden, verkauft, und immer wieder mit Gewalt genommen. Dank uns werden sie sich zu wehren wissen.«
    »Ja. In Worten klingt das alles nicht schlecht. Ich habe das ebenfalls mein Leben lang geglaubt. Aber ihr gebt ihnen nichts außer der Feindseligkeit. Sie werden nie lernen können, jemanden zu mögen. Jemandem zu vertrauen.«
    »Daran ist ja auch nichts Gutes! Vertrauen ist Schwäche, Gefühle sind unnütz! Es gibt nur eine einzige Sprache, die es lohnt, verstanden zu werden, und das ist die Verständigung der Klingen. Und es gibt nur eine einzige Währung von Wert, und die ist das Blut. Meins, deins, das der anderen. Nichts sonst enthält die Wahrheit. Bist du gekommen, um deine letzte Lektion zu erhalten?«
    »Ich werde dich bezwingen, wenn du mir keine andere Wahl lässt.«
    Neeva lachte höhnisch auf. »Siehst du? Etwas anderes fällt dir nicht ein. Du verdammst zwar Ugon Fahus’ Lehren, aber du befolgst sie weiterhin. Du bist nach wie vor seine vielversprechendste Tochter. Da kann ich machen, was ich will. Selbst wenn ich ihm mein ganzes Leben schenke. Du warst eben immer die Hübscheste von uns.«
    »Damit hat das doch nun wirklich nichts zu tun.«
    »Doch! Damit hat das ganze Unglück angefangen. Ich habe das Turnier mehrmals gewonnen. Erinnerst du dich noch? Und keiner der zahlenden Gäste hat anschließend mehr von mir gewollt, als meine Muskeln zu streicheln, oder dass ich mit ihm ringe und ihn presse, so fest ich kann. Mich haben sie respektiert. Bei dir jedoch … haben sie sich vergessen .«
    »So ist das also. Und der arme Ugon Fahus musste die ganzen Jahre über mit deiner Hässlichkeit vorliebnehmen.«
    Neeva verlor die Beherrschung. Mit einem Aufschrei zog sie ihr Klingentänzerinnenschwert und drang damit auf Erenis ein. Die Distanz hatte sie im Nu überwunden. Eine fließende, beinahe fliegende Bewegung in dunklen Stoffen, mit verzerrtem Gesicht.
    Die Schläge, die Erenis nun abzuwehren hatte und die die ganze Halle mit ihrem Klang erfüllten, waren die heftigsten und unerbittlichsten ihres ganzen Lebens. In keinem der Dörfer war sie jemals einem Mann begegnet, der seine Waffe mit solch kontrollierter Wucht zu führen verstand wie Neeva, die womöglich schon immer die ein wenig

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