Klondike
aber einer guten Schule trotz alledem, hatte er sich seinen akademischen Grad in Cambridge erworben, ohne intensives Studium, aber am Ende mit erwähnenswerter Auszeichnung. Er hatte Rugby gespielt, sowohl für seine Universität als auch für sein Land, und hatte mit seinem Regiment an der Nordwestfront in Indien gedient. Er war noch nie in Kanada gewesen und verstand nichts von Goldgräberei, war aber an hartes, entbehrungsreiches Leben gewöhnt, an welcher Front er auch immer stand. Während eines Urlaubs von seinem Regiment war er im Himalajagebirge geklettert, hatte sich aber von den höchsten Gipfeln wohlweislich ferngehalten. »Ich schätze kaltes Wetter nicht gerade, und vor großen Höhen habe ich Angst.« Es war wenig wahrscheinlich, daß er vor irgend etwas Angst hatte -außer vor seiner Gattin, Nachfahre eines unbedeutenderen Zweiges der Bradcombes und eine sehr willensstarke Frau -, denn seinen Mut hatte er gleich mehrmals unter Beweis gestellt, als er von Peshavar aus, an der indischen Grenze, versehen mit einem Spähauftrag, allein losmarschiert war, zum Khyber-Paß vorgedrungen war, und noch weiter südlich, nach Kandahar, um dort auf den Marktplätzen wichtige Informationen für einen späteren Schlag gegen Afghanistan zu sammeln.
Er war ein liebenswürdiger Mensch, verschwiegen, diszipliniert und immer bereit, sich an eine neue Aufgabe zu machen. Er war sich bewußt, daß er im Zivilleben nur Mittelmäßiges geleistet hatte und daß sein Platz bei der Truppe war, aber da er jetzt auf die Vierzig zuging und sich kaum Chancen ausrechnete, jemals zum Oberst ernannt zu werden - er verfügte einfach nicht über die Mittel, für seinen Unterhalt als Anführer eines Regiments selbst zu sorgen -, war er zu dem Schluß gekommen, daß er zu alt war, sich bloß als kleiner Offizier in irgendeiner Fronteinheit am Fuße des Himalaja herumzutreiben. Sein Vetter Luton wußte daher, daß die Gelegenheit, sein Glück auf den Goldfeldern zu erproben, für Harry wie gerufen kommen würde.
Als Luton jedoch am Tag darauf vor Harry vorsichtig andeutete, man könnte gemeinsam einen Beutezug zum Klondike unternehmen, täuschte dieser zunächst seine übliche Schüchternheit vor, er wisse nichts über die Goldvorkommen. »Ist das der Ort, wovon in den Zeitungen jetzt soviel Aufhebens gemacht wird? Revolution oder etwas Ähnliches?«
»Nein, Harry. Gold!«
»Ach ja. Die Sache da unten am Yukon.«
»Ich würde mir das gerne einmal ansehen. Hast du nicht Lust mitzukommen?«
»Liebend gerne, alter Knabe. Ich gäbe alles, um für eine Weile aus London rauszukommen. Aber ich weiß ja nicht ... Eskimos und so weiter ... Sollen wir uns etwa von Walspeck ernähren?«
»Von den Eskimos trennen uns über tausend Meilen, wenn meine Berechnungen stimmen.« Am Ende ihrer Unterhaltung sprach Luton eine Einladung aus: »Hör mal, Harry, ich bin heute abend mit dem Jungen von Phyllis zum Dinner im Club verabredet. Hast du nicht auch Lust? Dann können wir uns einmal ernsthaft darüber unterhalten.«
»Ich habe es immer für gefährlich gehalten, ernsthaft über irgend etwas zu reden, aber wenn du an den Klondike willst, dann kannst du mit mir rechnen.«
Am Abend im Club nahmen Lord Luton und sein Neffe ihre Plätze zunächst im Foyer ein, um den Eingang im Auge zu haben. Philip entdeckte Carpenter zuerst: »Da kommt er!«
Und die Empfangshalle, in der die Gäste ihre Mäntel der Obhut eines älteren Dieners anvertrauten, betrat ein Mann mittlerer Größe, von robustem Körperbau und mit einem recht buschigen martialischen Bart. Es war weder ein besonders exzentrischer noch auffallender Bart, eher das rauhe Symbol eines rauhen Mannes, den seine Gegner auf den diversen Schlachtfeldern zu respektieren gelernt hatten.
»Sieh an, Philip! Schön, dich zu sehen. Wie geht es dem alten Herrn und dem Anhang?« Carpenter gehörte zu den wenigen Freunden Lutons, die sich stets nach Henslow, dem katholischen Eindringling, erkundigten, und stets geschah es aus ehrlicher Zuneigung, denn er hatte Philips Vater immer gern gemocht.
»Ich soll dich von ihm grüßen«, antwortete Philip. »Er sagte, er wäre gern mitgekommen.«
»Zum Klondike? Er soll lieber zu Hause bleiben und sich um die Geschäfte kümmern.«
»Nein, er meinte zum Dinner, heute abend.«
Nach einem vorzüglichen Mahl, bei dem sie sich ausschließlich über die neuesten Cricketergebnisse unterhielten, schlenderten sie hinüber ins Rauchzimmer, wo Harry endlich auf das Thema zu
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