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Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

Titel: Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sendhil Mullainathan
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dergleichen. Bjorkegren quantifizierte nun den proportionalen Anteil der verschiedenen Ausgaben und fand heraus, dass für die ärmste Gruppe der Anteil der »verführerischen Waren« 10 Prozent der gesamten Ausgaben ausmachte. Je reicher die Testteilnehmer waren, umso mehr sank dieser Anteil, bis er schließlich nur noch 1 Prozent betrug. Natürlich haben die Reichen absolut gesehen weit mehr für diese Dinge ausgegeben, aber der proportionale Anteil an den Gesamtausgaben wurde geringer.
    Gehen wir aber nicht sorgfältiger mit unseren Ressourcen um, wenn wir von Knappheit bestimmt werden, die Fehler teurer werden und es mehr Möglichkeiten für Fehlentscheidungen gibt? Das ist leichter gesagt als getan. Um die Fehler zu reduzieren, genügt es oft nicht, sich anzustrengen. Viele dieser Fehler sind nicht die Folge von Unachtsamkeit, sie sind vielmehr tief in unseren mentalen Prozessen verankert. Auch sich bemühen und aufmerksam sein verhindert nicht, dass Pläne scheitern und wir Dinge aus den Augen verlieren. Es versorgt uns auch nicht mit dem eisernen Willen, Versuchungen zu widerstehen. Unsere Neigungen, die ein direktes Ergebnis der Arbeit unseres Gehirns sind, kümmern sich oft nicht um die Konsequenzen. Wir können einer momentanen Versuchung nachgeben und einen Snack zu uns nehmen, wenn wir gesund sind. Wir können der Versuchung auch nachgeben, wenn wir Diabetiker sind. Wir können durch ein blödes Videospiel abgelenkt werden, ohne dass das Folgen hat, wir können aber auch abgelenkt werden, wenn wir mit dem Auto auf der Autobahn fahren. Psychische Neigungen bestehen fort, auch wenn die Folgen extrem sein könnten. 22
    Wenn überhaupt, führt Knappheit zu größeren Fehlern. Die Einschränkung der Bandbreite versetzt uns in eine Lage, in der wir für Fehler anfälliger sind. Ein Überbeschäftigter macht einen noch größeren Planungsfehler, denn letztlich muss er sich vor allem um sein letztes Projekt kümmern und ist mehr abgelenkt und überfordert − der todsichere Weg zu Fehlplanungen. Mit einer eingeschränkten Bandbreite sind wir eher geneigt, unseren Impulsen und den Verführungen nachzugeben, und die Wahrscheinlichkeit von Fehlern ist größer.
    Mit dieser Erkenntnis können wir die Bedingungen von Knappheit mit neuen Augen sehen. Das Fatale ist, dass geringe Reserven wenig Platz für Fehler lassen: Wir können sie uns nicht erlauben. Eine Strafe für Fehlplanungen und Vergesslichkeit ist beispielsweise, dass das Geld für unsere Arbeit später kommt. Dadurch wird für Menschen, die mit Knappheit leben, die Welt noch feindlicher. Das leicht verfügbare Junkfood kann bei den Armen und Überbeschäftigten Fettleibigkeit auslösen und sie damit noch mehr gefährden und unaufmerksamer machen. Wer knapp bei Kasse ist, missversteht das schwer zu lesende Kleingedruckte über »billige« Hypotheken gern (was größere Konsequenzen hat). Für die Reichen und Entspannten ist diese Gefahr geringer. Zusammenhänge, die Raum für Fehler bieten, die dann bestraft werden, sind für alle eine Herausforderung. Für jemanden, der unter dem Einfluss von Knappheit steht, sind sie aber eine ganz besondere Herausforderung.
    Knappheit heißt nicht nur, weniger Raum für Fehler zu haben. Es heißt auch, dass es mehr Möglichkeiten gibt, Fehler zu machen. In unserer Geschichte von Alex und Ben war die Lederjacke die Verführung. Der Kauf war für beide ein Fehler. Aber stellen Sie sich nun folgende Variante der Geschichte vor:
    Alex und Ben gehen an einem Klamottenladen vorbei. Beide sehen eine Lederjacke. Keiner von beiden hat schon eine, beide wollten schon immer eine haben. Die Jacke ist perfekt, kostet aber zu viel: 200 Dollar. Und sie ist nicht besonders praktisch. Alex geht es zurzeit finanziell ganz gut. Er sagt: »Warum nicht?« Es sieht nicht so aus, als hätte er gerade bessere Ideen, sein Geld auszugeben. Ben, der knapp bei Kasse ist, hält den Kauf für keine gute Idee und verzichtet.
    In diesem Fall wäre der Kauf der Jacke für Ben ein Fehler, für Alex wäre er das nicht. Das ist, was uns die Überfülle erlaubt: mehr zu kaufen. Reichtum macht aus Verführungen einen Luxus, den man sich leisten kann. Die gleiche Ware kann eine Versuchung darstellen, wenn man wenig Geld hat, aber lediglich Leichtsinn, wenn man viel besitzt. Wer abmagern will, muss auf den gleichen Keks verzichten, den andere gedankenlos essen. Der Überbeschäftigte muss Ablenkungen vermeiden (beispielsweise einen Drink mit Freunden oder

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