Knight 02 - Stuermisches Begehren
Lady Glenwood be- kannt war.
„Bitte um Verzeihung, Mylord“, meinte der Butler, „habe ich Sie recht verstanden? Sie wünschen Lady Glenwood zu besuchen?“
„Nein, Sie impertinenter kleiner Floh. Miss Montague bit- te“, entgegnete er. Ihm stieg die Röte ins Gesicht – etwa, weil er sich für sein früheres Benehmen schämte? Lieber Himmel, was war nur mit ihm los? Er war vollkommen durcheinander.
„Einen Moment bitte, Sir.“ Beleidigt schlug ihm der Butler die Tür vor der Nase zu.
Das sah nicht sehr vielversprechend aus. Er wandte sich ab, klopfte sich nervös mit der Reitgerte gegen das Bein. Und wenn sie sich weigerte, ihn zu empfangen?
Aus den Augenwinkeln nahm er plötzlich an einem Fens- ter eine Bewegung wahr. Rasch blickte er auf, doch wer im- mer am Fenster gestanden hatte, war hinter den Vorhängen verschwunden. Seine Augen wurden schmal. Hatte sie am Ende vor, sich vor ihm verleugnen zu lassen?
Als er das Fenster weiter beobachtete, tauchte jedoch ein kleiner, blonder Kopf dort auf. Master Harry war anschei- nend auf irgendein Möbelstück geklettert, denn nun konnte er vom Fenster aus Lucien betrachten. Er wirkte sehr zufrie- den mit sich. Lucien lächelte, von den blitzenden blauen Au- gen und dem Kindergrinsen bezaubert.
Als Lucien sich verbeugte, verschwand der Kleine. Lucien runzelte die Stirn, doch kurz darauf spähte Harry wieder vorsichtig aus dem Fenster. Er wollte nur ein wenig Verste- cken spielen. Lucien lachte vor sich hin und beschloss, Miss Montague keine Gelegenheit zu geben, ihm auszuweichen. Er machte einfach die Haustür auf und steckte den Kopf zur Tür herein, was der geflüsterten Unterredung zwischen Ali- ce und dem Butler abrupt ein Ende bereitete. Sie standen beide in der Eingangshalle.
„... dass ich ihm sage, Sie sind nicht zu Hause?“
„Lucien!“ stieß sie erschrocken aus, und dann wurden ih- re Wangen feuerrot. „Also wirklich, du kannst doch nicht einfach so hier hereinplatzen!“
„Hallo“, begrüßte er sie hoffnungsvoll und schaute sie voll
Reue an.
Sie stemmte die Hände in die Seiten. „Was willst du hier?“ Gott, sie sah einfach entzückend aus. Sie trug ein weites Morgengewand und darüber eine hübsche gerüschte Haus- schürze, und das Haar fiel ihr lose über die Schultern. Das war seine Liebste, wie er sie in Erinnerung hatte, nicht die- se erschreckend schöne weiße Göttin aus dem Ballsaal.
Bevor er sich so weit gefasst hatte, um sie zu bitten, ihre Zeichenkünste zur Verfügung zu stellen, kam Harry aus dem Salon gesprungen, um nachzuschauen, was los war. Begeis- tert stürzte sich der kleine Junge auf Alice.
Automatisch legte sie ihm die Arme um die Schultern, da- mit er nicht hinfiel. Halb hinter seiner hübschen jungen Tan- te verborgen, musterte er Lucien aus sicherer Distanz mit immenser Neugierde.
Lucien betrachtete die Frau und das Kind. Ihr Anblick be- wegte ihn zutiefst, auf eine Art, die ihm gänzlich neu war. Sorgfältig schloss er die Haustür hinter sich und ging vor Alice und dem Kind in die Hocke.
„Hallo, Master Harry. Ich bin Lord Lucien.“
„Ähm, wir haben Kätzchen im Garten. Wilde Kätzchen!“ verkündete Harry stolz.
„Da habt ihr aber Glück“, erwiderte er lächelnd. „In mei- nem Garten sind nur Hunde, große, hässliche Tiere.“
Harry machte große Augen. „Daheim auf dem Land habe ich einen Hund. Ein Hundeweibchen. Die fängt Kaninchen!“ Lucien grinste und blickte zu Alice. Sein Lächeln erlosch, als er die Tränen in ihren Augen sah. Sie umklammerte Har- rys Schultern fester und schaute weg.
„Harry, ich hab dir etwas mitgebracht. Ich hörte, dass du die Windpocken hattest, und dachte, das hier könnte dich ein wenig aufmuntern.“ Er holte eine dreieckige Stange Quarz aus der Rocktasche und hielt sie dem staunenden Kind hin. „Das ist ein Prisma. Hast du so etwas schon mal gesehen?“
Der Knabe schüttelte heftig den Kopf.
„Komm her! Ich zeig dir, wie es funktioniert.“ Er ging auf ein Knie und streckte Harry die Hand hin. Zutraulich lief der Knabe auf ihn zu. Lucien schlang einen Arm um das Kind und hielt das Prisma in den spätnachmittäglichen Sonnen- strahl, der durch das halbmondförmige Fenster über der Tür fiel. „Jetzt schaut es wie gewöhnliches Glas aus. Aber wenn
du es kippst ... siehst du?“ Lucien deutete auf die Farben, die sich nun auf den Marmorboden ergossen.
„Bunt!“ stieß Harry hervor. Er griff nach dem Prisma und starrte es an. „Wie haben Sie
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