Knight 02 - Stuermisches Begehren
donnerte, zuckte er.
„Lord Damien?“
Abrupt wandte er sich zu ihr um, als hätte sie ihn er- schreckt.
Ein Schauder überlief ihn. Als er sie anschaute, war sein Blick zwar grimmig, aber er wirkte irgendwie meilenweit entfernt. Sein Gesicht war bleich und schweißüberströmt. Sie stand auf und machte einen Schritt auf ihn zu. „Lord Damien, geht es Ihnen nicht gut?“
Er rang offensichtlich nach Worten, als wäre er momentan
völlig durcheinander.
„Vielleicht sollten Sie sich lieber hinsetzen.“
„Nein ... nein, mir geht es ... gut. Bitte entschuldigen Sie mich“, murmelte er und schlich aus dem Zimmer.
Harry winkte ihm fröhlich nach. „Wiedersehen, Lord Lu- cien!“
Alices Blick wanderte von Damiens Rücken zu ihrem Nef- fen. Harry war sich noch nicht im Klaren darüber, dass es sich bei den Zwillingen um zwei verschiedene Männer han- delte, und konnte nicht so recht begreifen, warum dieser „Lucien“ so abweisend war und nicht mit ihm spielen woll- te, ganz anders als der nette Mann, der ihm das Prisma ge- schenkt hatte. Alice schaute in die Richtung, in die Damien verschwunden war. Sie war nicht überzeugt davon, dass mit ihm alles in Ordnung war.
„Weymouth, entschuldige mich bitte einen Moment.“
„Harry wird mir Gesellschaft leisten“, sagte der schnie- fend. „Komm zu Onkel Weymouth, Harry.“
Alice eilte aus dem Salon, während Weymouth sich weiter um Harry bemühte. Damien sieht aus, als hätte er Fieber, dachte sie, während sie den Korridor hinuntereilte. Hoffent- lich wurde er nicht krank. Als sie die Eingangshalle erreicht hatte, erkannte sie, dass er auf der Treppe stand. Er wandte ihr den Rücken zu und starrte auf den Boden. Er schien so unsicher auf den Beinen zu sein, dass sie befürchtete, er kön- ne in Ohnmacht fallen. Sie rannte zu ihm, um ihn zu stützen. Als er ihre Schritte hörte, fuhr er blitzschnell herum.
„Zurück!“ knurrte er. Sein Blick war wild, und er keuchte. In der Hand hielt er ein Messer, umklammerte es so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Alice erstarrte.
Sie blickten einander an. Alice wagte sich nicht zu rühren. Er war nicht mehr der ruhige, beherrschte Soldat, der ihr im Hyde Park die Ehe angetragen hatte.
„Lord Damien? Was ist los?“ flüsterte sie furchtsam. Lang- sam wich sie vor ihm zurück wie vor einem wilden Tier.
In der Ferne dröhnte wieder ein Böller, und Damiens Blick huschte in die Richtung, aus welcher der Lärm gekommen war. Sein Gesicht wirkte verzerrt.
„Keine Meile entfernt. Achtung, Männer. Brecht das Lager ab. Sie werden jede Minute hier sein.“
„Wer?“ fragte sie schwach und wurde ganz bleich, als sie seinen irren Blick bemerkte.
„Napoleon. Er befindet sich hinter dieser Anhöhe.“ Er wies mit dem Messer zur Treppe und legte dann den Finger auf die Lippen. „Still. Wir müssen die Artillerie aufmar- schieren lassen
Bevor Alice reagieren konnte, war er schon die Treppe hi- naufgeschlichen.
Stocksteif stand sie da, die Hand vor dem Mund. O Gott. Lange Zeit blieb sie einfach so stehen, weil sie nicht wuss- te, was sie tun sollte. Als von oben lauter Krach ertönte, schrak sie ängstlich zusammen. Es klang, als würde sich der Colonel in einem der oberen Zimmer verbarrikadieren. Pa- nisch rannte Alice die Treppe hinunter und begann das Haus nach Mr. Walsh abzusuchen, den unermüdlichen Butler von Knight House. Er würde sicher wissen, was zu tun war. Ge- rade schaute sie in der eleganten Bibliothek des Herzogs nach, als Peg plötzlich laut nach ihr schrie.
„Miss Montague! Lord Damien! Halten Sie ihn auf!“
Alice raffte die Röcke und rannte in die Eingangshalle zu- rück, wo Peg an der offenen Tür stand und erregt hinausdeu- tete. „Er hat ihn mitgenommen! Schnell! Ich hab versucht, ihn aufzuhalten; er hat Harry mitgenommen ...“
„Bardou?“ schrie Alice.
„Nein, Weymouth!“
Als sie in die kalte Nacht hinauslief, konnte sie Harry schon weinen hören.
„Weymouth!“ schrie Alice zornentbrannt und rannte ihm nach. „Bist du vollkommen übergeschnappt?“
Der Viscount wollte gerade in seine Kutsche klettern, Har- ry dabei fest umklammernd, doch Alice hastete zu ihm und versuchte ihm das Kind zu entreißen.
„Lass ihn sofort los!“ stieß sie zwischen zusammengebisse- nen Zähnen hervor. Im Park loderten zur Feier des Guy- Fawkes-Abends die Feuer und Fackeln und warfen einen heilen Schein auf die strenge Fassade von Knight House. „Wein nicht, Harry ...“
„Tante
Weitere Kostenlose Bücher