Knight 07 - Im Bann der Sehnsucht
tot.
Farraday eilte an Jacks Seite und berührte ihn, dann tastete er nach seinem Puls. „Er lebt noch.“
Aus irgendeinem Grund war Arthur davon nicht sehr über- rascht, aber noch nie zuvor war er glücklicher darüber gewesen, einen Arzt im Haus zu haben. Jetzt war es an Victor, Befehle zu geben. Er wies Arthur an, kaltes Wasser zu holen und etwas sau- beren Stoff, den er als Bandage verwenden konnte, während er Jack herumdrehte, um das Ausmaß seiner Verletzungen zu er- kennen.
Zorn loderte in Arthur auf, als er sah, welche Verletzungen man seinem stolzen Neffen zugefügt hatte. Sein Gesicht war verschwollen und blutüberströmt. An mehreren Stellen hatte er Stichwunden, und sie hatten sogar versucht, ihm die Kehle durchzuschneiden, aber zum Glück hatte er nur einen Kratzer davongetragen.
Er sah totenbleich aus, und seine Haut war nach diesem ent- setzlichen Kampf schweißbedeckt, aber er war am Leben. Ar- thur bewunderte den blutigen Sieg seines Neffen. Er musste wie ein Löwe gekämpft haben.
Nach ein paar Minuten war es ihnen gelungen, ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen.
„So, mein Junge.“ Jack nahm von seinem Onkel einen Schluck Wasser entgegen, sodass er endlich wieder sprechen konnte. „Eden“, stieß er hervor. „O'Keefe – helft mir, mich aufzusetzen.“
„Das bedeutet, er hat sie schon“, flüsterte Farraday.
Jack richtete den Blick auf das Gesicht seines Schwiegerva- ters. Seine wasserblauen Augen wirkten wild.
Nicht einmal Arthur hatte Jack bisher so gesehen.
Langsam wischte Jack sich mit dem Handrücken über den
Mund, dann beugte er sich nach vorn und stützte sich auf die Hände. Mit unendlicher Mühe und unter großen Schmerzen be- gann er, sich aufzurichten.
Arthur starrte ihn an. Ein herrlicher Anblick – ein geschla- gener, verwundeter Mann, der sich zurückkämpfte vom Ran- de des Todes und der Verzweiflung, wie ein halbtoter Gladiator, der sich aus dem Sand des Kolosseums erhebt, um noch einmal zu kämpfen.
Jack stand wieder auf seinen Füßen, auch wenn er das Gleich- gewicht kaum halten konnte. Nach all den Schlägen auf den Kopf schwankte er ein wenig, aber er unterdrückte dieses Ge- fühl mit unerhörter Willenskraft. Er biss die Zähne zusammen.
Dann hob sich seine Brust, als er laut hörbar Atem holte, mit bebenden Nasenflügeln, um sich zu konzentrieren. In seinen Au- gen loderte der Zorn.
„Wo ist er?“, stieß er hervor.
Farraday, der ebenso sehr staunte, trat einen Schritt zurück. „Ich werde es Ihnen zeigen.“
In ihrem dunklen Käfig war es schwer zu sagen, wie viel Zeit vergangen war. Eine Stunde? Zwei vielleicht? Eden weigerte sich zu glauben, dass Jack tot war. Jetzt betete sie darum, dass er nach Südamerika unterwegs war, um seine Mission zu voll- enden. Doch mit jedem Moment wuchs ihre Angst. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Die Kabinentür war hoffnungslos ver- riegelt, und wenn sie dagegenschlug, wurde ihr nur damit ge- droht, sie zu fesseln und zu knebeln, daher ließ sie das bleiben, wohl wissend, dass ihre Chancen zur Flucht damit nur noch ge- ringer werden würden.
Sie hatten den dreibeinigen Stuhl herangezogen, der zum Schreibtisch gehörte, und sich daraufgestellt, um zu versuchen, sich durch das Bullauge zu zwängen, aber die Öffnung war kaum größer als ein Suppenteller. Es war hoffnungslos.
Allerdings spähte Eden durch das kleine runde Fenster hi- naus, und sie bemerkte, dass sich keine Schiffslaternen auf dem Wasser widerspiegelten, und sie hörte auch nicht, dass jemand Befehle gab oder die Matrosen sich auf dem Oberdeck etwas zuriefen. In Dunkelheit und Stille glitt die Fregatte durch das Wasser, wie ein Raubtier: Sie begriff, dass Connor in aller Heim- lichkeit zu entkommen gedachte.
So wie er an die tiefschwarzen Nächte des Urwalds gewöhnt
war, wusste sie, dass er auch ohne Licht sehr gut sehen konnte. Sie wusste nicht, wie lange es dauern würde, ehe sie den Oze- an erreichten. Aber sie wusste, wenn sie nicht bald von diesem Wahnsinnigen fortkam, dann war ihr Leben hoffnungslos ver- loren. Connor konnte sie überall hinbringen, und wenn es ihm gelang, sie zum Orinoco zurückzuschaffen, dann war sie so gut wie verloren für den Rest der Welt – und auch für Jack.
Eden bekämpfte ihr Entsetzen und tastete sich wie blind durch die Kabine auf der Suche nach irgendetwas, das ihr helfen konn- te. Es war zu dunkel, um irgendeines der Objekte zu erkennen, die sie mit den Händen erfühlte, aber dann fand sie in
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