Knight 07 - Im Bann der Sehnsucht
Er sitzt schweigend in der Ecke und versucht nicht einmal, sich anzupassen.“
„Ach, Eden, er ist schüchtern.“
„Ich weiß. Und er tut mir leid ... Aber ich will niemanden hei- raten, nur weil er mir leidtut“, flüsterte sie, damit Connor mit seinen scharfen Ohren sie nicht hören konnte und vielleicht ge- kränkt war.
„Wie du willst“, schloss ihr Vater mit einem Seufzer. „Aber ich fürchte, da lässt sich nichts machen. Da unsere Zuwendungen gestrichen wurden, können wir uns die Überfahrt nicht leisten. Die Reise ist zu teuer.“
„Könntest du sie nicht auf Kredit bezahlen?“
„Und mich verschulden für etwas, das ich nicht einmal haben will? Damit wäre ich ein ebensolcher Verschwender wie Lord Pembrooke!“
„Sobald du deine Stellung am College hast, könnten wir das Geld zurückzahlen.“
„Nein! Ich werde diese Stellung nicht annehmen, Eden. Nie-
mals.“ Abrupt stand er auf und wandte sich ab, um ihrem ent- setzten Blick nicht begegnen zu müssen. „Ich habe gründlich darüber nachgedacht“, sagte er. „Vermutlich hätte ich es dir schon früher sagen müssen. Aber ich bin nicht in der Lage, das Versprechen zu erfüllen, das du mir letztes Jahr abgerungen hast. Wir kehren nicht nach England zurück, und was London angeht, so würde ich lieber der Hölle einen Besuch abstatten.“
„Was?“, stieß sie hervor und erbleichte.
„Es tut mir leid, mein Versprechen dir gegenüber brechen zu müssen, Tochter, denn du bist alles, was ich habe. Aber ich will verdammt sein, wenn ich dich diesem üblen, stinkenden Sün- denpfuhl von einer Stadt aussetze, die deine Mutter umgebracht hat“, schloss er mit einer Heftigkeit, die sie beinahe ebenso er- schreckte wie seine erschütternde Offenbarung.
Mit einer erschöpften Bewegung ließ Dr. Farraday seinen Stift fallen, und im Schein der Laterne wirkte er plötzlich sehr müde.
Ungläubig dachte Eden, dass er das unmöglich ernst gemeint hatte. Es konnte nur daran liegen, dass Mamas Tod ihn noch immer so erschütterte. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie an den Schmerz dachte, der ihn noch immer erfüllte und ihrer beider Leben in so seltsame Bahnen gelenkt hatte. Sie erhob sich, ging zu ihm und legte ihren Kopf an seine Schulter. „Papa“, flüsterte sie, „es war nicht deine Schuld, dass du sie nicht retten konntest.“
„Ich war ihr Ehemann und ihr Arzt, Edie. Wem sonst sollte ich die Schuld geben? Gott?“ Er legte seine Hand auf ihre, sah sie aber nicht an dabei. „Schon gut, Kind. Gleich wird es mir wieder besser gehen.“
Nein, wird es nicht. Es war bereits zwölf Jahre her. Sie legte einen Arm um seine schmale Taille, und das Herz tat ihr weh. „Papa. Wir können nicht für immer hier draußen bleiben.“
Er schwieg.
„Ich weiß, dass du nur versuchst, mich zu beschützen. Aber glaubst du wirklich, Mama hätte das so gewollt?“
„Falls du es vergessen haben solltest, deine Mutter ist der Grund, warum wir hier sind.“ Um sich zu beruhigen, holte er tief Atem. „Jedes Heilmittel, das wir finden, wird es zu ihrem Gedenken geben ...“
„Hör auf, dich selbst zu bestrafen“, flüsterte sie und drückte ihn noch einmal an sich. „Sie hätte nicht gewollt, dass du dich auf diese Weise von der Welt abschottest.“ Eden verzichtete darauf,
zu erwähnen, dass er auch sie von der Welt abschottete. Sie lehn- te sich an ihn und fühlte sich so hilflos, weil sie seinen Schmerz nicht zu lindern vermochte. „Ich weiß, du willst sie mit deiner Ar- beit ehren, Papa, aber wenn du mich fragst, was sie sich wirklich gewünscht hätte, dann wären das ... Enkelkinder.“
Einen Moment zu spät bemerkte sie, dass sie das besser nicht gesagt hätte. Ihr Vater erstarrte, schüttelte den Kopf und ver- schloss sich dann einfach, als die Gefühle ihn zu überwältigen drohten.
Vor ihren Augen zog er sich zurück, kehrte ihr den Rücken zu, blickte in sein Mikroskop, entfloh dem Schmerz und dem schrecklichen Verlust in seine ordentliche, in sich geschlossene kleine Welt, so wie er es seit Jahren tat.
„Die Expedition zum Amazonas wird stattfinden“, verkün- dete er mit ausdrucksloser Stimme. „Es tut mir leid, dass du unglücklich bist, aber wir alle müssen Opfer bringen, und ne- ben den wirklich großen Dingen spielen die Wünsche eines Ein- zelnen keine Rolle. Du wirst mich begleiten, so wie du es im- mer getan hast. Ich bin dein Vater, und so lautet meine Antwort. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich
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