Knochenerbe
Zeugenstand mit Marcia machen würde. Marcia war noch nie besonders stabil. Außerdem hatte Kaplan sie angegriffen, das wusste ich ja.
Also sagte ich nichts.
Aber etwa anderthalb Jahre später stritt ich mich mit Torrance über meinen Baum, von dem er mit arroganter Impertinenz Äste abgesägt hatte. Jedes Mal, wenn ich aus dem Küchenfenster schaute, sah der Baum grauenhafter aus. Also habe ich etwas getan, worauf ich nicht stolz bin. Ich wartete ab, bis beide Rideouts ein paar Tage lang nicht in der Stadt waren, ging hin und grub dort, wo ich Torrance so viele Monate zuvor hatte graben sehen. Ich brauchte drei Nächte, denn ich bin eine alte Frau, aber schließlich drang ich bis zum Schädel vor. Ich entfernte ihn, nahm ihn mit nach Hause und ließ das Loch, wie es war. Ich wollte, dass Torrance es mitbekam. Er sollte wissen, dass jemand den Kopf hatte, dass jemand Bescheid wusste.
Ich bin wirklich nicht stolz auf das, was ich getan habe. Jetzt bin ich zu krank, um den Schädel zurückzulegen und habe zu viel Angst vor Torrance, um ihn ihm einfach zu geben. Auch habe ich über Mike Osland nachgedacht: Er verschwand, bevor Mark Kaplan getötet wurde, und ich erinnere mich daran, wie er Marcia auf Feiern angesehen hat. Ich glaube unterdessen, Marcia ist ernsthaft gestört. Oberflächlich betrachtet mag sie lediglich exzentrisch erscheinen, aber sie ist krank. Ich glaube, dass Torrance das weiß. Aber er macht einfach mit seinem Leben weiter, als würde seine Frau von allein gesund, wenn man leugnet, dass sie Behandlung braucht.
Ich bin meinem Tod inzwischen zu nahe, um mir über all dies noch Sorgen zu machen. Sollte mein Anwalt diesen Brief finden, muss er tun, was er für richtig hält. Was die Leute von mir denken, wenn ich tot bin, ist mir gleich. Wenn Roe den Brief findet, soll sie tun, was sie will. Der Schädel liegt in der Fensterbank.
Jane Engle.“
Ich sah hinab auf das Papier in meinen Händen und faltete es wieder. Dann fing ich an, ihn zu zerreißen, ohne wirklich darüber nachzudenken. Erst riss ich ihn in zwei Hälften, dann in viertel, dann in Drittel, bis ein Haufen Konfetti auf dem Küchentresen lag. Den fegte ich zusammen und warf ihn in die Spüle, ließ Wasser laufen und stellte den Müllzerkleinerer an. Ein paar Sekunden lang polterte es schwach, dann drehte ich das Wasser ab und knöpfte mir die Briefe in der Ablage vor. Ich prüfte jeden Umschlag auf seinen Inhalt. Sie waren alle genau das, was sie zu sein vorgaben.
Ich sah auf Janes Kalender, der zwei Monate nachging. Ich nahm ihn von der Wand, blätterte vor bis zur richtigen Stelle und hängte ihn wieder auf. Eine leere Seite. Die Woche verlor ihre Form, wenn man keine Arbeit hatte, das war das Seltsamste daran. Vor mir lag kein freier Tag – es gab nichts, wovon ich mir freinehmen konnte. Wie eine rutschige Rampe erstreckte sich die Leere ins Unendliche. Gab es denn wirklich nichts, was ich zu tun hatte?
Natürlich! Entsetzt schüttelte ich den Kopf, hätte ich doch um ein Haar vergessen, dass ich mein gekürztes Brautjungfernkleid abholen musste.
Miss Joe Neil hätte einen Anfall bekommen, wenn ich das vergessen hätte!
Dann wusste ich auch schon, was ich am nächsten Tag tun würde.
Ich würde nach einem Haus für mich suchen.
Auf dem Weg zu Great Day legte ich einen Abstecher zum Friedhof ein. Dort stieg ich den kleinen Hügel zu Janes Grabstein hinauf, der bereits aufgestellt war. Vielleicht lohnte es sich, wenn Bubba Sewell alles so schnell regelte, bei der Wahl für ihn zu stimmen. Ich stand da, starrte auf den Stein und kam mir blöd und sentimental vor. Was für eine abstruse Idee, hierher zu kommen! „Gut, ich werde meine Freude daran haben!“, sagte ich schließlich.
Natürlich hatte ich nicht zum Friedhof kommen müssen, um Jane das zu sagen, ich hätte überall mit ihr reden können. Schweißtropfen rannen mir über den Rücken. Es kitzelte. „Danke!“, fuhr ich fort – hoffentlich klang das nicht zu sarkastisch. „Aber tu mir bitte nicht noch mehr Gefallen!“, bat ich den Stein und fing an zu lachen.
Dann stieg ich wieder in mein Auto und fuhr mein Brautjungfernkleid abholen.
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