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Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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lokalisieren und zu identifizieren, die während des Bürgerkriegs von 1962 bis 1996, einem der blutigsten Konflikte der lateinamerikanischen Geschichte, verschwunden waren.
    Seit meiner Ankunft vor einer Woche hatte ich viel gelernt. Schätzungen über die Zahl der Vermissten schwankten zwischen ein- und zweihunderttausend. Der Großteil der Gräueltaten ging auf das Konto der guatemaltekischen Armee und der mit ihr verbündeten paramilitärischen Organisationen. Die meisten der Getöteten waren Bauern vom Lande. Viele davon Frauen und Kinder.
    Die Opfer wurden erschossen oder mit Macheten zerstückelt. Andere Dörfer hatten nicht so viel Glück wie Chupan Ya. Hier hatten die Bewohner Zeit gehabt, ihre Toten zu verstecken. Viel häufiger wurden die Leichen in anonymen Massengräbern verscharrt, in Flüsse geworfen oder unter den Ruinen von Hütten oder Häusern liegen gelassen. Die Hinterbliebenen erhielten keine Erklärungen, keine Vermisstenlisten, keine Unterlagen. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen bezeichnete diese Massaker als Genozid am Volk der Maya.
    Familien und Nachbarn nannten ihre Vermissten desaparecidos. Die Verschwundenen. Die FAFG versuchte, sie oder genauer ihre Überreste zu finden, und ich war gekommen, um dabei zu helfen.
    Hier in Chupan Ya waren Soldaten und Zivilpatrouillen an einem Augustmorgen im Jahr 1982 eingefallen. Die Männer flohen, weil sie befürchteten, man würde sie der Kollaboration mit der örtlichen Guerillabewegung verdächtigen. Den Frauen wurde befohlen, sich mit ihren Kindern in Gruppen auf bestimmten Farmen zu versammeln. Sie gehorchten, vielleicht, weil sie dem Militär vertrauten, vielleicht aber, weil sie es fürchteten. Als die Soldaten sie auf den Farmen fanden, wurden die Frauen stundenlang vergewaltigt und dann umgebracht. Jedes Haus im Tal wurde niedergebrannt.
    Überlebende erzählten von fünf Massengräbern. Am Grund des Brunnens hinter Mrs. Ch’i’p lagen angeblich dreiundzwanzig Frauen und Kinder.
    Die alte Frau fuhr mit ihrer Geschichte fort. Hinter ihrer Schulter konnte ich die Konstruktion erkennen, die wir vor drei Tagen errichtet hatten, um den Brunnen und seine Umgebung vor Regen und Sonne zu schützen. Rucksäcke und Kamerataschen hingen an Metallstützen, und Planen bedeckten die Grube darunter. Kisten, Eimer, Schaufeln, Pickel, Besen und Lagerbehälter lagen dort, wo wir sie an diesem Morgen hingeworfen hatten.
    Zwischen den Stangen hatten wir Seile gespannt, um die Zuschauer von den Arbeitern zu trennen. Innerhalb der Abgrenzung saßen drei Mitglieder des FAFG-Teams untätig herum. Außerhalb standen die Dorfbewohner, die jeden Tag hierher kamen, um schweigend zuzusehen.
    Und die Polizisten, die uns aufhalten sollten.
    Wir waren kurz davor gewesen, Indizien zu entdecken, als wir den Befehl zum Abbruch erhielten. Die Erde, einst mahagonifarben, jetzt friedhofschwarz, hatte erste Aschespuren preisgegeben und verkohlte Fragmente. Im Sieb hatten wir eine Kinderhaarspange gefunden. Stofffetzen. Einen winzigen Turnschuh.
    O Gott. Lag die Familie der alten Frau wirklich nur Zentimeter unterhalb der Stelle, an der wir hatten aufhören müssen?
    Fünf Töchter und neun Enkel. Erschossen, zerstückelt und zusammen mit Nachbarsfrauen und -kindern in ihrem Haus verbrannt. Wie erträgt man einen solchen Verlust? Was konnte das Leben da noch bieten außer endlosem Schmerz?
    Als ich meinen Blick wieder auf die Landschaft richtete, bemerkte ich ein halbes Dutzend Gehöfte auf Lichtungen im Wald. Lehmwände, Ziegeldächer, Rauch, der von Kochstellen in die Höhe stieg. Jedes hatte einen ungepflasterten Hof, eine Außentoilette und ein oder zwei ausgemergelte braune Hunde. Die Wohlhabenderen hatten Hühner, ein dürres Schwein, ein Fahrrad.
    Zwei von Mrs. Ch’i’ps Töchtern hatten in der Ansammlung von Hütten auf halber Höhe der östlichen Flanke gewohnt. Eine andere hatte oben auf der Anhöhe gelebt, wo wir unsere FAFG-Fahrzeuge abgestellt hatten. Diese Frauen waren verheiratet gewesen, an ihr Alter konnte sie sich nicht mehr erinnern. Ihre Kinder waren drei Tage, zehn Monate, zwei, vier und fünf Jahre alt gewesen.
    Ihre jüngsten Töchter waren noch zu Hause gewesen. Sie wurden elf und dreizehn Jahre alt.
    Familien, verbunden über Fußpfade und ein Netzwerk der Gene. Dieses Tal war ihre Welt.
    Ich stellte mir vor, wie Mrs. Ch’i’p an diesem Tag nach Hause kam, vielleicht auf demselben Lehmpfad, den wir uns jeden Morgen hinunter- und

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