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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Prolog
     
    Italien 1944
Zu einer anderen Zeit
     
    Lieutenant Ryke hatte sich umsonst Sorgen gemacht. Der Lastwagen war tatsächlich verlassen, hinter den Büschen hockten keine hinterhältigen Deutschen, die es darauf abgesehen hatten, ihn in eine Falle zu locken. Er hängte sich die Maschinenpistole, die er vorsichtshalber schussbereit getragen hatte, wieder über die Schulter und sah sich den grauen Lkw genauer an. Die Ladefläche hing tief, die doppelbereiften Hinterräder standen in einem grotesken Winkel. Ryke wusste, was hier passiert war. Irgendwer hatte gemeint, den Wagen hemmungslos überladen zu können, und als Resultat war die Hinterachse beim ersten Schlagloch gebrochen. Also war diese Art der Dummheit kein Privileg der US Army.
    Die Türen des Fahrerhauses standen offen. Offensichtlich hatte der Fahrer schnell gemerkt, dass er seinen Laster vergessen konnte, und sich zu Fuß davongemacht. Ryke warf einen Blick hinein in der vagen Hoffnung, irgendein Souvenir zu finden, aber der unbekannte Deutsche hatte ihm nicht die Freude gemacht, ein Eisernes Kreuz zurückzulassen. In diesem Moment näherte sich ein Jeep und bremste neben Ryke. Der Lieutenant grüßte Captain Albinizi flüchtig, der Captain erwiderte den Gruß ungeduldig und fragte dann, was der Lkw geladen habe.
    »Keine Ahnung«, antwortete Ryke, »ich habe noch nicht nachgeschaut, Sir.«
    Ryke war nicht im Geringsten neugierig. Alle deutschen Lastwagen, die er bisher gesehen hatte, waren entweder mit Konserven oder Ersatzteilen beladen gewesen, und bei diesem hier würde es höchstwahrscheinlich genauso sein.
    »Dann machen Sie das gefälligst jetzt, Lieutenant! Der Wagen könnte wichtiges Material geladen haben, Akten, Karten, alles Mögliche. Na los!«
    Ryke hätte so einiges erwidern können, aber er setzte sich lieber lustlos in Bewegung. Bitte, dann würde der Captain eben die Meldung kriegen, dass er auf ein Dutzend Kisten geheimes Dosengulasch gestoßen ist, wen kümmert’s? Albinizi, der den Elan des Lieutenants richtig einschätzte, stieg aus dem Jeep und folgte ihm zum Heck des Lasters. Dort angekommen, löste Ryke zwei Haken und krachend schlug die Ladeklappe nach unten. Der Captain schob die staubige Plane beiseite und stieg auf die Ladefläche.
    Der Wagen hatte eine Anzahl großer Holzkisten geladen, und was immer in ihnen war, hatte man in großer Eile verpackt: Albinizi fiel auf, dass die Deckel mehrerer Kisten nicht einmal zugenagelt waren und dass büschelweise Stroh herausschaute. Er hob den Deckel der nächstbesten Kiste ab, entfernte die oberste Lage Stroh und hielt dann erstaunt inne:
    Vor ihm lagen uralte Bücher, in dunkles, schweres Leder gebunden, die Einbände verziert mit Einlegearbeiten aus Gold und Edelsteinen. Daneben lagen gelbliche Papyrusrollen, bröckelnd und verfärbt von den Jahrhunderten. Und ganz oben auf einer der Rollen standen in merkwürdig geformten Buchstaben Worte, die Albinizi verstand, denn sie ähnelten der Sprache seiner Eltern:
    DE TEMPORA
PHILIPPUS SYRACUSAE SCRIPSIT
     
        
     
    Ravenna 476
In einer fremden Zeit
     
    Die metallbeschlagenen Sohlen kratzten bei jedem Schritt über den kostbaren Mosaikfußboden, über den sonst nur die weichen Sandalen der Hofbeamten glitten, aber Rufus Scorpio nahm die knirschenden Geräusche nicht wahr. Sechs Stunden lang hatte er Lärm ertragen müssen, der direkt aus dem Schlund der Hölle und den Mäulern Zehntausender Dämonen zu quellen schien; sechs Stunden hörte er, wie Schwerter mit grellem Klirren aufeinandertrafen, wie Verwundete, Verstümmelte und Sterbende schrien. Er hörte, wie Knochen barsten und Pferde, denen Speere in den Hals gerammt wurden, mit blutigem Gurgeln und hilflosem Wiehern zusammenbrachen. Er hörte das Dröhnen der Trommeln und Bucinae, das die Sinne der Männer betäubte und sie in einen Rausch des Tötens jenseits aller menschlichen Begriffe versetzte.
    Und jetzt, da der Lärm der Schlacht hinter ihm lag und er durch den Kaiserpalast von Ravenna ging, war Scorpio taub für alle subtileren Geräusche. Die kühle Stille, die ihn hier umgab, erschien ihm unnatürlich, fast pervers. Nur der Hall seiner Schritte klang, sanft gedämpft, von den Marmorwänden wider.
    Er blieb stehen. Ein Spiegel aus poliertem Silber war in die Wand eingelassen. Rufus Scorpio blickte hinein und musste unwillkürlich lachen. Es war ein Lachen ohne Freude, denn der Mann, den er dort im Spiegel sah, hatte nichts Lustiges an sich: Er war noch jung,

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