Knochenzeichen
Abklappern der einzelnen Motels hatte sie rasch in der Klinik angerufen und von einer durchaus mitfühlenden Schwester zu hören bekommen, dass Lydia nicht mit ihr sprechen wollte. Sie nicht sehen wollte. Es war zwecklos, heute Abend noch dort vorbeizufahren.
»Ich werde wahrscheinlich zum Landview zurückfahren«, antwortete sie schließlich. »Wenn Sie also die Computer in mein Auto laden wollen, kann ich sie heute Abend noch im Sheriffbüro vorbeibringen.« Bei der Gelegenheit könnte sie sich auch gleich nach dem Ergebnis der Vernehmung erkundigen.
»Das würde mir einen Weg ersparen.« Bei der Aussicht darauf klang Gibbs’ Stimme schlagartig fröhlicher. »Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich schon über mein Angebot von neulich nachgedacht? Dass ich Ihnen für die Bodenproben Zutritt zu den Anwesen hier verschaffen kann?«
»Die Spur ist wahrscheinlich eine Sackgasse, bis wir einen Tatverdächtigen haben und eine Probe von seinem Anwesen nehmen können«, gestand sie und blickte auf die nahezu menschenleere Main Street hinaus. Dann, als die Erinnerung wieder hochkam, gestattete sie sich ein kleines Lächeln. »Es sei denn, Sie kennen einen Ort, wo es nicht nur heiße Quellen gibt, sondern wo auch Schafe gehalten werden. Oder früher mal wurden.«
Er zupfte an seiner langen, dünnen Nase herum und hielt schwungvoll neben ihrem Auto an. »Ehrlich gesagt, kenne ich mehrere solche Orte. Natürlich nicht direkt in der Stadt. Aber Kathy Gerber und Rick Moses haben eine Farm gepachtet und halten ein paar Schafe. Und Jodie Paulsens Vater hat vor Jahren Schafe gezüchtet.« Sein Tonfall wurde hellwach. »Soll ich sie anrufen?«
Cait zuckte die Achseln. »Kann nichts schaden.« Zumindest konnte Kristy dann mithilfe der Bodenproben die Theorie überprüfen, die sie während ihres Flirts mit dem Mitarbeiter der Bodenschutzbehörde entwickelt hatte. »Aber laden wir die Computer mal noch nicht um, ehe wir wissen, ob wir noch weitere Orte aufsuchen müssen. Ich will sie nicht unbeaufsichtigt in meinem Wagen lassen.«
»Sieht nicht so aus, als ob jemand zu Hause wäre.« Cait schob ihr Handy in die Hosentasche, für den Fall, dass Barnes anrief, und schulterte ihren Rucksack, den sie aus dem Auto geholt hatte, ehe sie ausstieg.
»Ich weiß, dass er da ist. Ich hab ja eben mit ihm gesprochen.« Gibbs kratzte sich an einem seiner großen Ohren. Klopfte erneut an der Vordertür. Aber niemand reagierte. »Jodie ist oft hinterm Haus und werkelt in seinem Schuppen herum.« Er schlenderte zum Ende der Veranda, sprang die Stufen hinunter und spähte ums Hauseck. »Da hinten brennt Licht. Dann wird er dort wahrscheinlich sein.«
Wunderbar. Ein feiner Nieselregen hatte eingesetzt. Als hätte die Luft ausgeatmet, kam ein leichter Wind auf. Cait trottete hinter dem Deputy her, durch den unebenen Hinterhof, vorbei an einem Garten, einem Komposthaufen und wuchtigen Silhouetten alter Landwirtschaftsmaschinen. Auf einen hölzernen, teilweise mit Metall beschlagenen Schuppen zu. Wie Gibbs gesagt hatte, drang ein matter Lichtschein durch die winzigen Spalten zwischen den Holzlatten hindurch. Doch die Tür war von außen mit einem Vorhängeschloss gesichert.
»Tja, da drinnen ist er nicht.« Verdrossen sah Cait den Deputy an. Sie hätte wissen müssen, dass das hier nichts als Zeitverschwendung war. »Bringen Sie mich einfach zu meinem Auto zurück. Ich muss …«
Die Holztür zersplitterte direkt vor ihr, einen Sekundenbruchteil, ehe sie den Schuss hörte.
Unsanft stieß sie Gibbs zur Seite. »Runter, schnell runter!« Sie hechteten in verschiedene Richtungen davon, während Cait ihre Waffe aus dem Rückenhalfter zog, um auf den unsichtbaren Angreifer zu zielen. Sie suchte das Terrain ab, entdeckte aber nichts, was sich bewegte. »Melden Sie es über Funk!«
»Das Funkgerät ist im Auto!«, brüllte Gibbs zurück. Sie sah seine gebückten Umrisse an die andere Seite des Schuppens gepresst, sodass nur sein Kopf hervorschaute. Die dunklen Ecken würden ihnen Schutz geben, hoffte sie, während sie angestrengt in die Finsternis spähte und mit der freien Hand nach dem Handy kramte. Genau wie sie auch ihren Angreifer schützten.
»Paulsen!« Caits Stimme dröhnte durch die unheimliche Stille. »Wir wollen nur mit Ihnen reden. Sie haben uns selbst eingeladen, schon vergessen?« Sie versuchte, das Leuchten des Displays abzuschirmen, während sie 911 wählte. Ein zweiter Schuss jagte durch die Nacht, nahe genug, dass sie die Hitze der
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