Knochenzeichen
Meinen Del! Als ob er irgendwas mit dieser Schweinerei zu tun haben könnte!«
»Del ist nicht verhaftet. Er soll uns nur ein paar Fragen beantworten. Wir haben in den letzten paar Tagen schon vielen Leuten Fragen gestellt.«
»Das macht keinen Unterschied.« Das Funkeln in Joanies Augen wäre tödlich gewesen, wenn es nicht von Angst unterlegt gewesen wäre. »Was sollen denn die Leute denken, wenn alle sehen, wie er so von den Deputys abgeführt wird? Dass er unter Verdacht steht, das werden sie denken. Und was sollen meine Kinder machen, wenn ihre Freunde sie fragen, warum ihr Stiefvater mit ins Büro des Sheriffs kommen musste? Denkt ihr eigentlich auch mal daran? An die Unschuldigen, die verletzt werden, während ihr herumstümpert und rauszukriegen versucht, was zum Teufel da oben in der Höhle passiert ist?«
Obwohl sich leiser Zorn in ihr regte, antwortete Cait in gemessenem Tonfall. »Manche würden sagen, dass die Leute, deren Knochen in der Höhle abgelegt wurden, auch Unschuldige waren.«
»Das wissen wir nicht.« Joanie gestikulierte mit beiden Armen. »Vielleicht waren es Drogentypen, die mit irgendeiner Gang aneinandergeraten sind. Vielleicht haben sie genau das bekommen, was sie verdient haben, haben Sie daran schon mal gedacht? Und trotzdem werden gesetzestreue Bürger in ihre Schweinereien mit hineingezogen.« Ihre Augen glänzten von den aufwallenden Tränen. »Unsere Existenz hängt am seidenen Faden, noch dazu, wo der Tourismus so nachgelassen hat. Und jetzt das. Es spielt überhaupt keine Rolle mehr, was wir tun. So wie die Leute tratschen, hat es sich wahrscheinlich jetzt schon in der ganzen Stadt herumgesprochen, dass Del vom Sheriff abgeholt worden ist. Wer will denn noch in ein Lokal gehen, das einem Verdächtigen in einem Mordfall gehört?«
Cait mangelte es nicht an Verständnis für Joanie, obwohl die Frau nicht über die Auswirkungen auf ihre Familie hinausblickte. Und auf ihr Lokal. »Wie gesagt, Del dürfte bald zurück sein. Und er hat mir erzählt, dass Sie das Gehirn hinter dem Internet-Café sind, also haben Sie den Teil des Betriebs sicher auch bestens im Griff.«
»Das haben Sie falsch verstanden«, erwiderte Joanie ausdruckslos und warf den Kopf in den Nacken. »Kein Wunder, nachdem Sie und das Sheriff’s Department ja auch in jedem anderen Punkt kompletten Mist gebaut haben. Das Café ist Dels Lieblingskind. Ich weiß gerade genug, um Leute ein- und auszuloggen, aber die schwierigen Sachen regelt alle Del. Er ist absolut genial mit Computern. Das können Sie jeden hier fragen.«
»Haben wir schon.« Cait wandte sich zum Gehen und warf der Frau ein letztes unaufrichtiges Lächeln zu. »Sie sind sich alle einig. Es gibt nichts, was Del an einem Computer fremd wäre.«
Und genau aus diesem Grund wurde er auch just in dieser Minute zum Verhör nach Eugene gebracht.
19. Kapitel
Es hatte sich in der ganzen Stadt herumgesprochen. Schon drei Leute hatten ihn angerufen, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Del Barton war von der Polizei zum Verhör abgeholt worden.
Natürlich war noch mehr geredet worden. Ob korrekte oder aufgebauschte Einzelheiten, das wusste er nicht. Nach dem ersten Satz hatte er schon nicht mehr hingehört. Sein Herz war regelrecht stehen geblieben, nur um im nächsten Moment wieder loszurasen wie eine führerlose Lokomotive. Einen Augenblick lang fürchtete er, er bekäme einen Herzinfarkt.
Die Leute vom Sheriff’s Department hatten Sweetie.
Ruhelos streifte er durchs Haus und ignorierte die nächsten Anrufe. Unfassbar, dass er vor diesem ersten Anruf völligen inneren Frieden empfunden hatte. Ja, sogar Freude. Er war nach wie vor euphorisch gewesen über die Pläne, die er mit Sweetie geschmiedet hatte. War das erst gestern Abend gewesen? Mit neuer Zielstrebigkeit war er in den Schuppen gegangen und hatte Barb Haines’ Leichnam zu seinen geliebten Käfern in das Gehege gelegt. Hatte ein Gefühl absoluter Seligkeit genossen, als sie sich wie eine hungrige, bewegliche Decke über die Knochen hermachten. Er hatte sie eigenhändig aufgezogen, aus den Larven, die er übers Internet gekauft hatte. Regelmäßig weckten sie ein Gefühl von prickelndem Stolz in ihm.
Doch dann war dieser erste Anruf gekommen.
Er wusste, wie so etwas ablief. Die Tatsache, dass Del nicht mit Handschellen gefesselt gewesen war, bedeutete, dass er nicht festgenommen war. Wenn es genug Beweise gegen ihn gegeben hätte, hätten sie allerdings genau das getan. Das hier war nur ein
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