Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knockemstiff (German Edition)

Knockemstiff (German Edition)

Titel: Knockemstiff (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
was brauchst du so lange?« brüllte er. »Holst du dir einen runter?« Wieder schlug er gegen die Tür, und ich hörte jemanden lachen. Dann sagte er: »Ich sag euch, diese verdammten Blagen machen einen noch irre.«
    Ich zog den Reißverschluss zu und kam aus der Kabine. Mein alter Herr reichte gerade einem dicken Kerl, der sich Sägemehl in die fettigen schwarzen Haare gekämmt hatte, eine Zigarette. Auf dem dreckigen Hemd des Mannes war ein roter Fleck, der die Form eines Tortenstücks hatte. »Ich verarsch dich nicht, Cappy«, sagte mein Vater zu dem Kerl, »dieser Junge hat Angst vor seinem eigenen Schatten. Ein verdammter Mistkäfer hat mehr Mumm.«
    »Ja, ich weiß, was du meinst«, sagte Cappy. Er biss den Filter von der Zigarette und spuckte ihn auf den Betonboden. »Meine Schwester hat auch so einen. Armer kleiner Kerl, kriegt nicht mal ’nen Köder auf den Angelhaken.«
    »Bobby wär besser ein Mädchen geworden«, erklärte mein Vater. »Verdammt, als ich so alt war, hab ich schon Holz gehackt.«
    Cappy zündete sich die Zigarette mit einem langen Streichholz an, das er aus seiner Hemdtasche gezogen hatte, und sagte schulterzuckend: »Das waren damals andere Zeiten, Vern.« Dann steckte er sich das Streichholz ins Ohr und quirlte damit in seinem Kopf herum.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte mein alter Herr, »da fragt man sich doch, was zum Henker mal aus diesem verdammten Land werden soll.«
    Plötzlich trat ein Mann mit einem schwarzen Brillengestell von seinem Platz an der Pissrinne zurück und klopfte meinem Vater auf die Schulter. Er war der größte Mistkerl, den ich je gesehen hatte; sein fetter Schädel stieß fast an die Decke. Seine Arme waren so dick wie Zaunpfosten. Hinter ihm stand ein Junge meiner Größe in bunten Bermudas und einem T-Shirt mit einem ausgeblichenen Davy Crockett drauf. Er hatte einen frisch gewachsten Bürstenschnitt und orangefarbene Limoflecken am Kinn. Jedes Mal, wenn er ausatmete, wuchs eine Bazooka-Blase aus seinem Mund wie eine runde, rosige Blüte. Er sah glücklich aus, und ich hasste ihn sofort.
    »Hüten Sie Ihre Zunge«, sagte der Mann. Seine laute Stimme dröhnte durch den Raum, alle drehten sich um und starrten uns an.
    Mein alter Herr wirbelte herum und rammte seine Nase in die Brust des großen Kerls. Er setzte zurück und sah zu dem Riesen hinauf, der sich über ihm auftürmte. »Verdammt noch mal«, sagte mein Vater.
    Das schweißige Gesicht des Mannes wurde rot. »Haben Sie mich nicht verstanden?« fragte er meinen Vater. »Ich habe Sie gebeten, die Flucherei sein zu lassen. Ich will nicht, dass mein Sohn so etwas zu hören bekommt.« Dann fügte er so langsam hinzu, als redete er mit einem Trottel: »Ich … bitte … Sie … nicht … noch einmal.«
    »Du hast mich schon beim ersten Mal nicht drum gebeten«, erwiderte mein Vater. Damals war er zäh wie Leder, aber spindeldürr, und er wusste nie, wann er den Mund halten sollte. Er sah sich in der Meute um, die sich langsam um sie bildete, drehte sich dann zu Cappy und zwinkerte.
    »Ach, halten Sie das vielleicht für witzig?« sagte der Mann. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und er tat einen Schritt auf meinen Vater zu. Jemand rief aus dem Hintergrund: »Tritt ihm in den Arsch!«
    Mein Vater machte zwei Schritte zurück, ließ die Zigarette fallen und hob die Handflächen. »Immer langsam, Kumpel. Himmel, ich hab’s nicht so gemeint.« Dann senkte er den Blick und starrte ein paar Sekunden lang die glänzenden schwarzen Schuhe des großen Kerls an. Ich sah, wie er an der Wange nagte. Seine Hände schlossen und öffneten sich wie die Scheren eines Flusskrebses. »He«, sagte er schließlich, »wir brauchen hier heute Abend keinen Ärger.«
    Der große Kerl sah zu den Leuten, die ihn angafften. Alle warteten auf den nächsten Schritt. Seine Brille rutschte ihm die breite Nase herunter, und er schob sie wieder hoch. Er holte tief Luft, schluckte und bohrte dann einen seiner fetten Finger in die knochige Brust meines Vaters. »Hören Sie, ich meine, was ich sage«, erklärte er, und Spucke flog ihm aus dem Mund. »Das hier ist eine Familienveranstaltung. Ist mir egal, ob Sie ein verdammter Säufer sind. Haben Sie verstanden?« Ich warf seinem Sohn einen Blick zu, und der streckte mir die Zunge raus.
    »Ja, das verstehe ich gut«, hörte ich meinen Vater leise sagen. Ein selbstgefälliger Zug legte sich über das Gesicht des großen Arschlochs. Seine Brust blähte sich auf wie bei einem Truthahn und

Weitere Kostenlose Bücher