Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
Ausbrecher.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Geld.«
»Sonst nichts?«
»Viel Geld. Ich möchte eine eigene Fabrik gründen. Die ›Feinsteinzeugwerke Herzogswalde Finck-Kochlowsky‹.«
»Ich bin mir der Ehre bewußt, daß mein Name zuerst genannt wird.«
»Zugegeben: Kochlowsky-Finck klänge besser.«
Baron von Finck lehnte sich in dem großen, geschnitzten Sessel zurück und musterte Kochlowsky eingehend. Man kann sich an ihn gewöhnen, dachte er. Sein schrecklicher Unfall hat mich wirklich zutiefst erschüttert. Er mag das Gröbste sein, was weit und breit herumläuft … eins ist er bestimmt: ehrlich bis auf die Knochen. Auf ihn ist Verlaß. Ich müßte mich eigentlich einen glücklichen Menschen nennen, Kochlowsky und Hammerschlag bei mir zu wissen.
»Wieviel Eigenkapital haben Sie, Leo?« fragte von Finck.
»Unschätzbar, Herr Baron …«
»Wie soll ich das verstehen?« Finck hob die Augenbrauen.
»Meinen Kopf und meine Hände. Meine Ideen und meinen Willen.«
»Und Bargeld?«
»Nichts. Das haben Sie.«
»Ich soll Ihnen also Ihre Fabrik hinstellen und dann Ihr Teilhaber sein?«
»Mit fünfzig Prozent.«
»Ausgesprochen großzügig …«
»Die restlichen fünfzig Prozent betrachten Sie bitte als Kredit, den ich Ihnen abzahle.«
»So ein Angebot ist wohl noch keinem gemacht worden, Leo!«
»Es hat bisher ja auch noch keinen Kochlowsky als Partner gegeben.« Kochlowsky schob eine Aktenmappe nach vorn und sah Baron von Finck erwartungsvoll an. »Darf ich dem Herrn Baron meine Pläne und die Berechnungen zeigen? In den nächsten Jahren wird Deutschland eine industrielle Explosion erleben – wir sollten dabeisein und nicht die große Stunde verschlafen.«
Die Besprechung dauerte fünf Stunden. Fünf Stunden, in denen sich das ganze Leben von Leo Kochlowsky und seiner Familie änderte. Etwas erschöpft schloß Baron von Finck nach diesen fünf Stunden die Akten und gab Kochlowsky die Hand.
»Wenn das alles so wird, wie Sie's aufs Papier geworfen haben … Gratulation, Leo! Da kommt eine große Zukunft auf uns zu. Ich habe nur Angst um Ihre Gesundheit.«
»Ich nicht. Meine beste Erholung ist die Arbeit. Herumsitzen und Medizin schlucken macht mich nur kränker! Ich fühle mich sauwohl … Verzeihung, Herr Baron.«
»Sie sind doch krank, Leo.«
»Aber nein. Wieso denn?«
»Früher hätten Sie sich für das ›sauwohl‹ nicht entschuldigt …« Finck stand auf, kam um den Tisch herum und streckte Kochlowsky die Hand entgegen. »Schlagen Sie ein, Leo … wir machen die Feinsteinzeugfabrik.« Er drückte Kochlowskys Hand und sagte dann feierlich: »Auf gute Zusammenarbeit, Herr Fabrikant …«
Auf der Rückfahrt vom Herrenhaus machte Kochlowsky einen Umweg über Herzogswalde und hielt bei dem Kaufmann Overmann auf der Hauptstraße.
»Einen Champagner möchte ich haben!« sagte er. »Einen französischen Champagner.«
»Haben wir nicht!« Overmann sah Kochlowsky bedauernd an. »Wer trinkt denn in Herzogswalde französischen Champagner?«
»Ich!«
»Aber das wußte niemand …«
»Was haben Sie dann?«
»Rotweine, Weißweine, Portweine, Sherry, Madeira, Liköre, Cognac, sogar Whisky … alles.«
»Das alles säuft man in Herzogswaide, aber keinen Champagner? Ein Nest voller Trinkbanausen!« Kochlowsky blickte die Regale entlang. »Was ist denn das da? Das sieht wie eine Champagnerflasche aus.«
»Ein deutscher Sekt.« Overmann holte sie aus dem Regal. »Vom Rhein. Sieht aus wie Champagner, schmeckt wie Champagner, perlt wie Champagner, aber darf sich nicht so nennen. Heißt darum Sekt. Sie kennen ihn nicht?«
»Nein …«
»Es gibt auch anderswo Banausen«, sagte Overmann mutig.
Kochlowsky stutzte, starrte Overmann an und begann dann laut zu lachen. Er schien sich wirklich verändert zu haben.
»Her mit dem Sekt!« rief er. »Wieviel Flaschen haben Sie?«
»Noch zehn!«
»Gekauft! Aber wenn er nicht schmeckt, schieße ich Ihnen die Korken in den Hintern …«
Am Abend tat Kochlowsky sehr geheimnisvoll. Er rannte ab und zu in den Garten, man hörte die Pumpe knirschen, Wasser plätscherte in eine Zinkwanne, und als Sophie in der Hoftür erschien, um zu sehen, was es da gäbe, streckte er den Arm aus und befahl: »Du bleibst im Haus! Marsch, verschwinde! Hinein! Es handelt sich um eine reine Männersache …«
Was hatte eine Frau auch mit zwei Sektflaschen zu schaffen, die in einer Zinkwanne liegen und gut gekühlt werden müssen? In den Eisschrank in der Küche konnte man sie nicht
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