Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
der
Hauptkommissar jetzt den Musterschüler spielen?
»Wir haben ein paar Treibspuren
feststellen können, das ist richtig. Jedes Mal, wenn ein im Wasser treibender Körper
gegen etwas stößt – und das passiert in einem fließenden Gewässer öfter als man
denkt, Äste, Müll, die Ufermauer, Schiffe, Motorboote …«
»Motorboote? Sie meinen, da schippern
Leute mit dem Boot über den Rhein und merken nicht, wenn sie mit einer Leiche zusammenstoßen?«
»Wenn Sie wüssten, was Sie alles
nicht bemerken, Hauptkommissar Bergkamp«, erwiderte der Rechtsmediziner, bevor er
mit seinem Vortrag fortfuhr. »Ein Leichnam kann mit allem Möglichen auf dem Fluss
kollidieren. Die meisten Verletzungen der Leiche stammen daher und sind dementsprechend
postmortal.«
Hier machte Brandt eine Kunstpause
und schaute die beiden Polizisten an. Paula Wagner hob kurz aufmunternd die linke
Augenbraue, Brandt stockte und schaute sie verwirrt an. »Postmortal, ja« setzte
er an. »Aber eben nicht alle. Alle Verletzungen, meine ich.«
Brandt stotterte. Paulas Stimmung
hob sich.
»Die meisten Verletzungen im Gesicht
jedenfalls sind ihm vorher zugefügt worden. An den Fingerkuppen gibt es noch Spuren
von Abrieb. Als hätte er auf etwas eingeprügelt. Außerdem haben wir Hautfetzen unter
seinen Fingernägeln gefunden. Leider aufgrund der Verunreinigungen für eine DNA-Untersuchung
total unbrauchbar.«
»Also war unser Opfer in eine Schlägerei
verwickelt, bevor er im Rhein ertrunken ist?«
»Das habe ich doch gerade gesagt.«
Zu schade, dass Volker Brandt seine Selbstsicherheit immer schnell zurückgewann.
»Danke, Doktor«, beendete Hannes
Bergkamp das Gespräch. Der Rechtsmediziner packte seinen Mantel, den er über die
Lehne des Besucherstuhls geworfen hatte, und seinen schwarzen Arztkoffer, ohne den
Paula Wagner ihn noch nie gesehen hatte. Nachdem er dem Hauptkommissar zum Abschied
kurz zugenickt hatte, verschwand er. Als er die Tür hinter sich schloss, griff Paula
Wagner zu einer Flasche Wasser, die auf ihrem Schreibtisch stand und trank einen
großen Schluck. Hannes Bergkamp hatte die Hände auf dem Schreibtisch gefaltet und
sah sie an.
»Nicht unbedingt unser Ressort,
oder?«, setzte er hoffnungsvoll an.
»Wir haben Hinweise auf eine gewalttätige
Auseinandersetzung, denen wir nachgehen sollten, bevor wir den Fall abgeben.«
»So wie es aussieht, ist er ertrunken,
nicht erschlagen worden. Und wir haben keine Hinweise, dass er in den Rhein geworfen
wurde.«
»Wir haben einen Todesfall mit offenen
Fragen. Denen sollten wir nachgehen. Das ist unser Job, Hannes.«
»Erst diese Kneipe, dann dieser
Junge, dieses Kind … Manchmal will ich mit diesem ganzen Beruf gar nichts mehr zu
tun haben, Paula.«
Die zuckte mit den Achseln. »Wir
haben eh keine Wahl.«
Bergkamp kaute auf seinen Lippen
herum. Ein sicheres Zeichen, dass er unzufrieden war. »Wenn du meinst …«, sagte
er schließlich und stand auf. Paula Wagner war erleichtert. Ein paar Fragen zum
Tod eines 18-jährigen Azubis zu stellen war allemal besser, als sich in Gedanken
immer noch mit den Bildern aus dem Treuen Husar zu beschäftigen und damit, dass
dieser Schnösel vom BKA ihnen den Fall abgenommen hatte. Bergkamp nahm seine grüne
Gore-Tex-Jacke vom Garderobenhaken, um in die Mittagspause zu verschwinden. In der
Tür drehte er sich noch einmal um.
»Was ist das eigentlich für eine
Sache zwischen dir und Brandt?«
Paula zuckte kurz zusammen. Dass
Bergkamp dahinter kam, fehlte ihr gerade noch. »Nichts, wieso?«, antwortete sie
schnell. Zu schnell, um einen vielleicht faulen, aber nicht gerade dummen Polizisten
wie Bergkamp zu täuschen.
Doch immerhin hatte Paula nun eine Aufgabe. Kurz nach ihrem Kollegen
verließ sie das Büro, allerdings nicht, um in die Mittagspause zu gehen. Stattdessen
fuhr sie mit ihrem Civic nach Zollstock in eine Malerwerkstatt. Die Firma Anton
Adam Malerbetrieb residierte nicht in einer Werkhalle, sondern in einer ausgebauten
Garage und dem dahinter liegenden, mit vergilbtem Plexiglas überdachten Innenhof
eines Wohnquartiers aus den 20er-Jahren. An den Wänden der Garage waren bis unter
die Decke Holzbretter angedübelt, auf denen volle Farbeimer, Decken, Abdeckplanen,
leere Dosen mit Pinseln und Rollen ordentlich gestapelt waren. In der Mitte der
Werkstatt stand ein winziger Suzuki-Kleinlaster, an dessen beiden Seiten gerade
genug Platz blieb, um sich daran vorbeizuquetschen. Paula achtete darauf, nicht
an einem Farbeimer hängen
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