Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Büdchen stehen. Hat so einen komischen blonden Haarschnitt
– mit Mustern.« Der alte Mann versuchte mit seinen kräftigen Händen an der Schläfe
eine Verzierung nachzuzeichnen.
»Mehr wissen Sie nicht?«
»Nein, tut mir leid. Ich mochte
diesen Freund nicht.«
»Mochten Sie Peter Kopf?«
»Ich dachte immer, dass mir der
Jung’ mal Ärger macht … Aber eigentlich hatte ich ihn eher als Täter gesehen. Nicht
als Opfer.«
6
»Ich danke Ihnen für dieses Gespräch!« Die Journalistin Verena Talbot
drückte die Taste mit dem roten Hörer auf ihrem Handy und legte das Gerät beiseite.
Dann starrte sie einige Zeit auf den Notizblock vor sich und die Zeichnungen, die
sie während des Gespräches angefertigt hatte: eine Skizze vom Grundriss des Treuen
Husar, ein paar mit Kugelschreiber eingezeichnete Explosionen, ein Porträt Ali Ökçans
mit Turban und Bombengürtel. Notizen hatte sie sich keine gemacht während des Gesprächs
mit Jan-Peter Goldberg. Zu wenig, was der BKA-Beamte ihr gesagt hatte, erschien
ihr wertvoll genug, aufgeschrieben zu werden. Das wenige, was er ihr erzählt hatte,
wusste sie bereits.
Sie strich sich eine blonde Haarsträhne
aus dem perfekt geschminkten Gesicht. Immerhin hatte Goldberg mit ihr gesprochen.
Anderen Kollegen hatte er Auskünfte jenseits der offiziellen Pressemitteilungen
verweigert. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es war nie verkehrt, in einer
E-Mail auf ihre eigene Internetseite zu verweisen. Die Zeit, die sie in die Aufnahmen
für die Fotos auf ihrer Homepage investiert hatte, hatte sich – zumindest bei männlichen
Gesprächspartnern – längst rentiert. Umso unzufriedener war sie mit sich und dem
gerade beendeten Gespräch. Sie war es gewohnt, mehr aus den Leuten herauszubekommen
als andere, aber Goldberg hatte es verstanden, wortreich nichts preiszugeben.
Talbot war überzeugt, dass das BKA
Infos zurückhielt. Vielleicht musste sie mit dieser Erkenntnis erst einmal zufrieden
sein. Die meisten Journalisten hatten die Ermittlungsergebnisse und die Geschichte
von dem islamistisch beeinflussten Einzeltäter Ali Ökçan geschluckt, ohne sie infrage
zu stellen. Zeitungen und Internetseiten waren voll von den immergleichen Tatdarstellungen,
angereichert mit einer Handvoll biografischer Daten des Attentäters und spärlichen
Angaben über die Opfer des Anschlags. Das BKA hatte im Namen der Angehörigen um
Diskretion gebeten. Verena interessierten weniger die Opfer. Sie wollte mehr über
den Täter wissen. Natürlich hätte sie einige Artikel über Terrorismus und Karneval,
den Umgang mit der Bedrohung oder Spekulation über weitere Anschlagsziele herunterschreiben
können. Das Attentat war eine Goldgrube für Journalisten. Verena Talbot jedoch war
überzeugt, dass hier mehr zu holen war. Nach allem, was sie über Ali Ökçan herausgefunden
hatte, taugte der Student nicht zum Einzeltäter. Irgendwer musste ihn unterstützt
haben. Das wortreiche Schweigen der Ermittler bestätigte sie in ihrer Überzeugung,
dass hinter dem vermeintlichen Attentäter mit Sicherheit eine terroristische Vereinigung
steckte, die größer war, als Politik und Polizei die Bevölkerung wissen lassen wollten.
Entweder gab es ermittlungstechnische Gründe für diese Verschwiegenheit oder man
wollte Panik vermeiden. Beide Gedanken führten sie zu dem gleichen Ergebnis: Diese
kriminelle Organisation plante weitere Attentate. Verena Talbot packte zufrieden
einen schweren Aktenordner mit ihren Unterlagen zum Attentat auf den kleinen, antiken
Schreibtisch in ihrem Arbeitszimmer. Das war genau die Story, auf die sie gewartet
hatte.
Während Verena ihre Unterlagen studierte und die Verbindungen Ökçans
zu islamistischen Gruppen recherchierte, saß Privatdetektiv Marius Sandmann mit
Taner Caglar, laut Alis Eltern der beste Freund ihres Sohnes, in einem kleinen Café
auf der Zülpicher Straße nur wenige Meter vom Südbahnhof und dem Universitätsgelände
entfernt. Taner Caglar arbeitete hier. Er war Anfang 20, trug die Haare ähnlich
kurz wie der Privatdetektiv, wirkte ansonsten aber deutlich besser gekleidet. Blütenweißes
Hemd, akkurat gebügelte Hose, glänzend polierte schwarze Schuhe. Die Sakkoärmel
hatte Taner allerdings etwas unelegant bis zum Ellbogen hochgeschoben. Er hielt
die Hände auf dem Tisch gefaltet, den Kaffee vor sich rührte er kaum an. Marius
erinnerte er ein wenig an eine Figur aus einem Gangsterfilm oder genauer: An jemanden,
der unbedingt so aussehen wollte.
»Alis
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