Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben
mehr als menschliches Wesen anzusehen, sondern als wildes Tier, und als solches, wie der Angeklagte, in der Absicht, unsere Urteilskraft zu bestechen, selber sehr treffend hervorhob, als der verderblichste Feind unserer so teuren menschlichen Gemeinschaft, die mich und euch, ihr Richter, zu ihrem Schütze berufen und hierhergestellt hat. Solch ein wildes Tier verdient aber durch seine Niedrigkeit sowie durch seine Gemeingefährlichkeit kein anderes Schicksal, als daß es durch den Tod vernichtet und seine Spur von dieser Erde vertilgt werde!
Er flegelt sich gelangweilt in seinen Sessel zurück.
DER OBERRICHTER. Angeklagter Ludovicus! Was hast du hierauf noch zu sagen?
DER KÖNIG. Nichts.
DER OBERRICHTER. Die Zeugen sind entlassen! – Das Gericht zieht sich zur Fällung des Urteils in das Beratungszimmer zurück.
Die Zeugen, der Richter und der Prokurator des Königs verlassen den Saal.
DER GERICHTSAKTUAR
die Hände über den Kopf zusammenschlagend, zu Alma, die in Tränen gebadet, über dem Protokoll sitzt.
Hilf mir, heilige Maria, Mutter Gottes, hat mir der Bengel in seiner Albernheit mein ganzes Gerichtsprotokoll vollgeheult! Nicht ein Buchstabe mehr zu lesen! Die Blätter aufeinandergeklebt!
ALMA
schluchzend.
O mein Gott, er ist unschuldig! Ich weiß es, daß er unschuldig ist!
DER GERICHTSAKTUAR. Was hat denn dich das zu kümmern, ob er schuldig ist oder unschuldig! Ist es dein Kopf oder ist es sein Kopf, den man ihm abschlägt!
DER KÖNIG
abgewandt, aber mit Nachdruck.
Meine Worte waren: Und so falle denn endlich des Königs Haupt auf dem Markte von Perugia unter dem Henkerbeil!
DER GERICHTSAKTUAR
zu Alma.
Da hörst du es, wie unschuldig er ist!!
ALMA
erhebt sich unwillkürlich, die Worte halblaut aber sehr rasch hervorstoßend.
Heiliger Gott im Himmel, der du Erbarmen hast mit allen Armen und Elenden, bewahre uns davor!
DER GERICHTSAKTUAR. Nun siehst du, du bist ein wackerer Junge und hast das Herz auf dem rechten Fleck! Zu den Gerichtsverhandlungen werde ich dich freilich so bald nicht wieder mitnehmen. Du mußt zu Hause das ganze Protokoll nach deinem Gedächtnis noch einmal aufsetzen. Dabei lernst du mehr, als wenn du das ganze Corpus juris durchstudierst!
DER VERTEIDIGER
hat, nachdem die Richter den Saal verlassen, ein Paket mit belegten Butterbroten, eine Kürbisflasche und einen Becher aus seinem Talar gezogen. Flasche und Becher hat er vor sich aufgepflanzt; darauf kommt er, mit Frühstücken beschäftigt, nach vorn.
Nun, Gigi, war das nicht eine ciceronianische Verteidigungsrede, die ich da für dich gehalten habe? Aber was weißt du von Cicero! Du erlaubst mir schon, daß ich frühstücke! Ich hatte ursprünglich die Absicht, meiner Verteidigungsrede ein kleines Curriculum vitae einzuflechten, eine anschauliche Schilderung deines Viehhütens usw. Aber aufrichtig gesagt, Gigi, ich glaube, das hätte dir bei diesen
Hinausdeutend, im Gegensatz zu seiner früheren Unterwürfigkeit im Ton aller tiefster Verachtung.
Hornochsen da draußen auch nicht viel geholfen!
DER KÖNIG. Ich sage Euch meinen Dank für Eure Bemühung, würdiger Doktor Ezzelino.
Die Richter ohne den Prokurator kommen aus dem Beratungszimmer zurück und nehmen ihre Plätze wieder ein.
DER OBERRICHTER
rasch und geschäftsmäßig ein Schriftstück verlesend.
Der Angeklagte Ludovicus, bis anhin Schneiderlehrling in Perugia, vordem auf dem Dorfe Baschi mit dem Hüten von Vieh betraut, ist des Verbrechens der Beleidigung der geheiligten Person des Königs angeklagt und wurde dieses Verbrechens auf Grund übereinstimmender Zeugenaussagen sowie seines eigenen Geständnisses für schuldig befunden. Der Angeklagte wurde verurteilt, in Anbetracht seiner bisherigen Unbescholtenheit, sowie in Anbetracht seines freiwillig abgelegten Geständnisses zu zweijähriger Kerkerhaft ...
Alma stößt unwillkürlich einen verhaltenen Schrei aus.
DER GERICHTSAKTUAR
zu einer Ohrfeige ausholend.
Junge, willst du dein Maul halten, wenn der Richter spricht!
DER OBERRICHTER. ... des weiteren zu zehnjährigem Verlust aller bürgerlichen Rechte und Ehren, sowie
Langsam und mit Nachdruck.
zur Verweisung aus der Stadt Perugia für die ganze Dauer seines Lebens unter Verhängung der To desstrafe im Falle jemaliger Rück kehr.
DER GERICHTSAKTUAR
zu Alma.
Schreib auf, mein Junge! Schreib auf! Das ist das Allerwichtigste!
DER OBERRICHTER
rasch weiterlesend.
In Anbetracht der Tatsache, daß der Angeklagte nicht die geringste Spur
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