Köpfe
Letztendlich handelte es sich nur um eine geringfügige Ablenkung, wie er schließlich einräumte; das Rohmaterial würde aus dem Fond für besondere Ausgaben des MB Sandoval kommen; vielleicht konnte er auf diesem Weg auch gleich noch einige für beide Teile vorteilhafte Ausrüstung durchdrücken, die ihm bisher aus rein finanziellen Gründen verweigert worden war. »Natürlich tue ich es nur um deiner hochgeehrten Vorfahren willen«, hatte William gesagt.
Fünf Tage später trafen die Köpfe per Shuttle von Port Yin ein. Rho und ich beaufsichtigten die Entladung am Landeplatz Vier, der dem Lifteingang zur Eisgrube am nächsten lag. Verpackt in würfelförmigen Stahlkisten mit jeweils einer eigenen Kühlmaschine, waren die Köpfe etwas sperriger, als Rho geschätzt hatte. Sieben Stunden nach der Landung und nach sechs Karrenladungen hatten wir sie endlich im Gerätelift.
»Ich habe beim MB Nernst die Konstruktion einer Umhüllung in Auftrag gegeben, die Williams Robotniks bauen können«, sagte Rho. »Diese hier tun es noch etwa eine Woche, so wie sie sind.« Sie klopfte auf die Kiste, die ihr am nächsten war, und sah mich mit einem breiten Grinsen durch den Helm an.
»Du hättest dich auch für jemand Billigeres entscheiden können«, maulte ich. Nernst hatte während der letzten paar Jahre einen ungerechtfertigten Status erlangt; ich hätte den vernünftigeren, ebenso leistungsfähigen MB Twinning gewählt.
»Nur das Beste für meine Ahnen«, sagte Rho. »Herrje, Mickey, denk doch mal nach.« Sie wandte sich zu den Kisten um, die zu einem Ring von zwei dichtgepackten Stapeln in dem runden Lift aufgebaut waren; kleine Kühlmaschinen ragten aus den nach innen zeigenden Seiten der Kisten.
Wir fuhren in dem Schacht abwärts. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, doch ich hörte die Gefühlswallung in ihrer Stimme. »Denk doch nur mal, was es bedeuten würde, Zugang zu ihnen zu bekommen…«
Ich ging zwischen den Kisten herum. Hochwertiger, altmodischer Edelstahl, schön geformt und geschweißt. »Ein Haufen von geschwätzigen Oldtimern«, sagte ich.
»Mickey!« Ihr Ton enthielt einen milden Tadel. Sie wußte, daß ich nachdachte.
»Sind sie beschriftet?« fragte ich.
»Das ist ein Problem«, antwortete Rho. »Wir haben eine Liste der Namen, und alle Behälter sind numeriert; doch StarTime sagt, sie können nicht garantieren, daß beides miteinander übereinstimmt. Offenbar wurden die Unterlagen nach dem Ablaufdatum durcheinandergebracht.«
»Wie konnte so etwas passieren?« fragte ich entsetzt, mehr wegen der Schlamperei als wegen der auf der Hand liegenden Folgen.
»Das weiß ich nicht.«
»Und wenn StarTime in anderer Hinsicht nun ebenso geschludert hat und es sich tatsächlich nur um kaltes Fleisch handelt?« fragte ich.
Rho zuckte mit einer Gleichgültigkeit die Achseln, die mir durch und durch ging, als ob so etwas nach all ihren Bemühungen und der Ausgabe des schwerverdienten Sandoval-Geldes keine Katastrophe wäre. »Dann haben wir einiges Geld in den Sand gesetzt«, sagte sie. »Aber ich glaube nicht, daß sie derart unzuverlässig sind.«
Am Boden des Schachtes gerieten wir allmählich unter Überdruck, und Rho beobachtete die Kisten und hielt Ausschau nach irgendwelchen Anzeichen von Verformungen. Es waren keine zu sehen; sie waren ausgezeichnet verpackt. »Der MB Nernst sagt, Williams Robotniks werden zwei Tage brauchen, um die Ummantelung herzustellen. Kannst du die Arbeiten beaufsichtigen? William weigert sich…«
Ich setzte meinen Helm ab, stieß etwas Oberflächenstaub von meinen Stiefeln an einem Vakuumstutzen ab und grinste mürrisch. »Na klar. Ich habe ja nichts Besseres zu tun.«
Rho legte mir die in Handschuhen steckenden Hände auf die Schultern. »Mickey. Bruderherz.«
Ich betrachtete die Kisten, für die mein Interesse auf beunruhigende Weise zunahm. Wenn die da drin lebendig wären und uns – in ihrem eigenen gestorbenen Stil – von ihrem Leben erzählen könnten? Das wäre außerordentlich, ein historisches Ereignis. Es würde dem MB Sandoval riesige Publicity einbringen, und das würde sich auf unseren Nettowert im Tripel auswirken. »Ich werde die Sache beaufsichtigen«, sagte ich. »Aber du mußt beim MB Nernst erreichen, daß sie einen Menschen herüberschicken und nicht nur einen Robotechniker. Das müßte in ihren Vertragsbedingungen stehen; ich möchte, daß jemand persönlich zur Endabnahme erscheint.«
»Keine Angst«, sagte Rho. Die Handschuhe hatte sie
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