Köpfe
fielen sie in Ungnade, als sie während der Spaltung mit terrestrischen Regierungen zusammenarbeiteten, als die Erde die Bündnisse mit dem Mond auflöste, um uns für unsere mutmaßlichen Unabhängigkeitsbestrebungen zu bestrafen. Danach waren die Pierces und ihresgleichen jahrzehntelang gesellschaftlich Ausgestoßene.
Im Gegensatz dazu überlebten die Superfamilien die Krise mit Leichtigkeit.
Die Pierces und die meisten ungebundenen Familien wie sie, getrieben von Verarmung und Unmut, verpflichteten sich 2094 vertraglich, in den Dienst der französisch-polnischen Technologiestation Copernicus einzutreten. Sie wurden Mitglieder des Multiplen Bundes Copernicus, der aus neun Familien bestand, und gehörten zur führenden Wirtschaftsschicht der Mondgesellschaft nach der Spaltung.
Dennoch begegnete die Mondgesellschaft den Nachfahren der Pierces mit starken Vorurteilen. Sie waren als wilder, flegelhafter Haufen verschrien, und sie hielten sich überwiegend in und um die Copernicus-Station herum auf.
Diese Schwierigkeiten hatten William während seiner Kindheit offenbar beeinflußt und aus ihm eine Art Mysterium gemacht.
Als meine Schwester William bei einer Copernicus-Veranstaltung in einer Disco kennenlernte, sich mit ihm verabredete (er war zu schüchtern und verletzbar, um sich seinerseits mit ihr zu verabreden) und ihn schließlich bat, sich dem MB Sandoval als ihr Ehemann anzuschließen, mußte er sich die eingehende Prüfung durch Dutzende argwöhnischer Familienmitglieder gefallen lassen.
William ging der Drang zur Einheit ab, der bei einem Kind mit MB-Erziehung fast instinktiv war; in einem Alter, in dem ungestüme Wesen fest eingebettet waren in Bünde von noch ungestümerer und fordernderer Art, war er ein Einzelgänger, aufbrausend und gleichzeitig zur Sentimentalität neigend, loyal und gleichzeitig kritisch, genial, doch mit der zwanghaften Neigung, sich immer wieder Aufgaben auszusuchen, bei denen ein Versagen sein Schicksal zu sein schien.
Doch im Laufe dieser intensiven Monate, während derer Rho ständig an ihm arbeitete, lieferte er eine hervorragende Darstellung und stellte ein bescheidenes und liebenswürdiges Wesen zur Schau. Er wurde in den Multiplen Bund der Sandovals aufgenommen.
Rho war so etwas wie eine Mondprinzessin. Da sie biologisch als Urenkelin von Robert und Emilia Sandoval von der Hauptlinie der Familie abstammte, redeten allzu viele bei der Gestaltung ihrer Zukunft mit, und sie entwickelte eine ausgeprägte Trotzhaltung. Daß sie sich jemanden wie einen Pierce zum Gemahl erwählte, war einerseits zu erwarten gewesen, wenn man ihren Charakter und ihre Erziehung bedachte, andererseits war es schockierend.
Doch die alten Vorurteile waren etwas aufgeweicht. Trotz der Bedenken von Rhos schützenden ›Tanten‹ und ›Onkeln‹ und der Anstrengungen des Aufgebots und der Heirat, und trotz seines gelegentlichen Aufbäumens gegen komplizierte Bräuche wurde William bald als wertvolles Anhängsel unserer Familie anerkannt. Er war ein genialer Konstrukteur und Theoretiker. Vier Jahre lang trug er Wesentliches zu vielen unserer wissenschaftlichen Bemühungen bei, doch er blieb ein Anhängsel und spielte eine untergeordnete Rolle, die ihm zutiefst widerstrebt haben mußte.
Ich war fünfzehn, als Rho und William heirateten, und neunzehn, als er schließlich diese mehr oder weniger unterwürfige Maske abwarf und um die Eisgrube bat. Ich habe nie ganz begriffen, was die beiden aneinander fanden; die Mondprinzessin, die sich zu dem Sohn einer ausgestoßenen Familie hingezogen fühlte. Doch eines stand mit Sicherheit fest: was immer William tat, um Rhos Zuneigung zu strapazieren, zahlte sie ihm mit Zinseszinsen heim.
ICH GING MIT RHO ZUR EISGRUBE, nachdem ich ihr eine Stunde lang geholfen hatte, ihr Anliegen vorzubereiten.
Sie hatte vollkommen recht; als Sandovals hatten wir die Pflicht, das Ansehen und das Erbe des MB Sandoval zu erhalten, und selbst nach der Logik eines Advokaten mußte das die Gründer unserer Kernfamilie einschließen.
Daß wir außerdem vierhundertacht Außenstehende mit einbezogen, war wieder eine ganz andere Sache… Aber wie Rho treffend bemerkte, konnte die Konservierungs-Gesellschaft ja wohl kaum Einzelwesen verkaufen. Bestimmt würde es niemand für eine schlechte Idee halten, einen solchen Schatz potentieller Informationen zum Mond zu bringen. Die müde alte Erde legte keinen Wert darauf; es waren nur weitere Eisleichen auf einer Welt, die sich dieser Plage
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