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Körper-Haft (German Edition)

Körper-Haft (German Edition)

Titel: Körper-Haft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Romey
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Symbols und ich fokussierte meinen Blick darauf.
    Mit einem leisen Sirren ging der Bildschirm an. Ich stutzte einen Moment, bis ich begriff. Wow, neuester Stand der Technik, Fernbedienung via Eye-Tracking . Es dauerte einen Augenblick, bis sich die Zeilen aufgebaut hatten und die Mikropixel sich zu einem gestochen klaren Bild sortierten.
    Begleitend zur angezeigten Textzeile ertönte eine Frauenstimme aus den Monitorlautsprechern: »Guten Morgen Nr. 5 , wir freuen uns, dass Sie den beschleunigten Strafvollzug mit Sozialisierungsprogramm gewählt haben.«
    »Hä?! Was soll ich gewählt haben? Und wer ist Nr.5 ?!«

Kaffee und Brötchen
    Ein Stuhl wurde quietschend über den Linoleumboden zurückgeschoben. Jemand stand auf und Schritte näherten sich, begleitet vom Geruch des bereits erschnupperten billigen Automatenkaffees. Als Erstes erschien ein Pappbecher in meinem Gesichtsfeld. Ich folgte neugierig den knochigen Fingern, die ihn hielten, folgte der dürren Hand, die in einen Arm überging … Der Klassiker Dry Bones von The Delta Rhythm Boys aus den 30er Jahren drängte sich in mein Gedächtnis, das ihn auf die Situation hin ummünzte.

    The finger bone is connected to the hand bone
    the hand bone is connected to the forearm bone
    the forearm bone is connected to the upper arm bone
    the upper arm bone is connected to the shoulder bone
    the shoulder bone is connected to the neck bone
    the neck bone is connected to the head bone
    Oh Lord, we`re here in the world of the bones
    Oh, Lord – Oh, Lord.

    Dann beugte sich das Gesicht eines schlanken, geradezu ausgemergelten Mannes über mich. Kurze, blonde, mit Frisiercreme nach hinten gekämmte Haare und tiefe, scharf eingekerbte Mundwinkel nahm ich als Erstes wahr. Dann eine kleine Nickelbrille mit starken Gläsern, welche die kalten Augen unnatürlich groß wirken ließen.
    Mein Herz blieb stehen, ich kannte den Mann! Mosquito … Unwillkürlich wollte ich den Namen laut aussprechen, aber aus meinem Mund drang nur ein jämmerliches Wimmern: »Mmo-ihooo.«
    Ich konnte nicht mehr sprechen! Der Versuch, mich aufzusetzen, scheiterte kläglich. Mein Körper machte keinen Mucks! Ich war nicht nur vor Entsetzen wie gelähmt … Was hatten diese Schweine mit mir gemacht?!
    Es durchlief mich ein heißer Schauer, als ob flüssiges Blei durch mich hindurchfließe. Meine Augen weiteten sich. Das war vermutlich das klare Signal für Mosquito, mit seinem Auftritt fortzufahren.
    »Na, also«, sagte er betont jovial. »Du erkennst mich. Wie schön! Dies ist sicherlich der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Du wirst schon sehen, wir werden viel Spaß miteinander haben … Aber entschuldige, ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt. Mein richtiger Name ist …«, er beugte sich mit seinem weißen Kittel über mich, damit ich sein Namenschild am Revers sehen konnte, »Mengele«.
    Er überprüfte mit raschem Blick, ob sich meine Augen noch mehr geweitet hatten. Offenkundig zufrieden mit dem Ergebnis zupfte er sich den Kittel zurecht und fuhr fort: »Doktor Joseph Mengele!«
    Ich hatte keine Ahnung, was dieser kranke Psychopath von mir wollte, aber eine Scheißangst hatte er mir eingejagt. Ein weiterer Stuhl quietschte über das Linoleum. Das musste das frische Brötchen sein, das ich vorhin gerochen habe.
    Dann donnerte das frische Brötchen los: »Jetzt hör endlich mit diesem Scheiß-Nazi-Arzt-Getue auf, da kommt einem wirklich das Kotzen. Du magst ja Mengele mit Nachnamen heißen, aber in Deinem Bewerbungsschreiben habe ich gesehen, dass Du nicht Joseph, sondern Jonas heißt. Außerdem kennt Dich eh jeder bloß als Mosquito und Doktor bist Du erst recht nicht!«
    »Aber hast Du gesehen, es funktioniert! Bei den Studierten funktioniert das immer mit Doktor Mengele. Ich sag’s ja schon immer – Bildung macht Angst!«

Was bin ich?
    Ganz unrecht hatte er nicht, mit weniger Wissen hätte ich mir den Schrecken erspart. Aber mich beschäftigte eine andere, mindestens ebenso philosophische Frage: Was war real? Befand ich mich immer noch in einem furchtbaren Alptraum oder war das die Realität? Und wenn ja, welche Realität? Hatte mich irgendein unglücklicher Zufall in eine Art Paralleluniversum geschleudert? Ich hatte jedenfalls das starke Gefühl, definitiv nicht hierher zu gehören. Ja, ich wusste ja nicht einmal, wo »hier« eigentlich sein sollte.
    Ich versuchte der Sache also analytisch auf den Grund zu gehen: »Wenn ich mit zwicke, wache ich auf und alles ist gut! Wenn

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