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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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unmögliche Gewohnheit gehabt.
    Der hätte sich selber nie eine Illustrierte vom Stapel genommen, und wenn er den ganzen Tag im Bereitschaftsraum gesessen wäre. Aber kaum daß ein anderer einen Artikel gelesen hat, hat er seinen Senf dazugeben müssen.
    Um Viertel vor eins hat der Brenner die
Bunte
zurückgelegt, und wie er zehn Minuten später auf die Küchenuhr geschaut hat, ist es immer noch Viertel vor eins gewesen. Aber nicht daß du glaubst, die Küchenuhr ist stehengeblieben. Weil die hat die Putzfrau jeden Morgen aufgezogen, da hat es gar nichts gegeben. Nur die innere Uhr vom Brenner hat vor Langeweile langsam den Geist aufgegeben.
    Und um eins immer noch kein Notfall. "Das ist in unserem Job ja der Wahnsinn", hat der Bimbo sein Schweigen gebrochen. "Daß wir immer in der schlechten Luft draußen sind, immer mitten im Verkehr. Ich sehe es ja an meinem Goldkettchen. Aber weißt du, was ich dir sage? Mein neues, das ich gestern angehabt habe, das verdreckt überhaupt nicht. Das nimmt den Dreck nicht an!"
    Weil der Bimbo hat sich erst letzte Woche ein neues Goldkettchen gekauft, das ist dreimal so teuer gewesen wie das teuerste von seinen alten. Das dünnste und trotzdem das teuerste! Und heute der erste Tag, wo er zur Abwechslung eines von den alten getragen hat. Da hat er zum Ausgleich wenigstens reden müssen über das neue: "Weil es verdrecken nur die kreuzverschweißten! Aber mein neues ist ja nicht kreuzverschweißt! Das ist händisch genietet! Da kannst du ein 500-Kilo-Gewicht daran aufhängen, und es reißt nicht! Und Dreck nimmt es auch keinen auf!"
    "Warum ziehst du dann den alten Plunder überhaupt noch an?" hat sich der alte Lanz jetzt eingemischt, du weißt schon, der ihn vor zwei Wochen bei der Imbiß-Rosi ausgebremst hat.
    Und der Bimbo gleich wieder rot wie eine Ampel: "Was heißt alter Plunder? Glaubst du, ich schmeiß die andern jetzt alle weg? Nur weil sie kreuzverschweißt sind? Immer schön abwechseln. Wie bei den Weibern."
    Der alte Lanz ist sofort ruhig gewesen. Weil natürlich der Bimbo und die Lanz-Tochter. Da ist seit ein paar Tagen geredet worden.
    "Jaja. Es ist nicht jeden Tag Sonntag", hat sich der Hansi Munz zu Wort gemeldet, aber mehr so im Halbschlaf. "Einmal ist soviel los, daß man kaum mit der Arbeit nachkommt, und bevor du das ganze Selbstmörderhirn von der Vakuummatratze geputzt hast, mußt du schon einen Herzinfarkt hinaufpacken."
    "Wann putzt du schon die Vakuummatratze?"
    "Und dann", hat sich der Hansi Munz vom Bimbo nicht unterbrechen lassen, "gehen sogar die Scheißhäusltouren aus."
    Jetzt zur Erklärung: Die aufregenden Einsätze sind ja immer in der Minderheit. Die Scheißhäusltouren sind es, mit denen man im Normalfall den Tag verbringt: Eine Oma zur Dialysestation liefern und zwei Stunden später wieder abholen.
    Einen Patienten vom Wilhelminenspital zu den Barmherzigen Brüdern liefern und dafür einen anderen von den Barmherzigen Brüdern ins AKH. Oder einen Container mit Spenderblut von der Blutspendezentrale ins Unfallkrankenhaus. Oder Parkinson-Training. Oder Altengymnastik. Weil da gibt es die Leute mit den Zusatzversicherungen, bei denen mußt du schon froh sein, wenn sie sich nicht von der Rettung ins Kaffeehaus liefern lassen.
    Die Glocke ist ja viel seltener gegangen als die Luftpost, mit der sie aus der Funkzentrale die Formulare für die Routinefahrten herübergeschossen haben.
    Routinefahrten.
Ich will nicht immer Scheißhäusltouren sagen, ist eigentlich kein schönes Wort. Und nur die Einsatzfahrten sind von der Funkzentrale mit der fürchterlich schnarrenden Glocke signalisiert worden, und wenn dich dann der Junior erwischt hat, daß du nicht im Laufschritt hinaus bist, hat es ein Donnerwetter gegeben, frage nicht.
    Der Junior hat den Betrieb schon vor fünf Jahren von seinem Vater übernommen, und inzwischen selber nicht mehr der Jüngste, haben aber immer noch alle Junior zu ihm gesagt. Aber wenn er dich ohne Laufschritt erwischt hat, dann hast du schnell gewußt, wer hier der Chef ist.
    Ein Donnerwetter vom Junior wäre aber noch besser gewesen als dieses elendige Herwarten, daß irgendeinem verschwitzten Manager in dieser Stadt endlich die Pumpe durchbrennt. Aber nichts da. Heute weder Glocke noch Luftpost. Heute nur Stephanie von Monaco und Buckingham Palast. Der Brenner ist schon bei der dritten
Bunten
gewesen, und während der ganzen Zeit ist nicht ein einziges Mal die Luftpost oder die Glocke gegangen.
    Aber dafür die Sprechanlage:

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