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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Fadinger, den er vor einem halben Jahr zufällig am Wiener Südbahnhof getroffen hat, hat er es natürlich schon gesagt. Und der hat ihm erzählt, daß er schon vor zehn Jahren von der Kripo zum Blutspendedienst gewechselt ist. Weil eine ruhige Kugel, und die Zulagen besser als bei der Polizei.
    Und wie der Fadinger erwähnt hat, daß sie bei der Kreuzrettung gerade einen Fahrer suchen, hat der Brenner sich gleich interessiert. Er hat auch nichts dagegen gehabt, nach Wien zu übersiedeln. Weil seit er bei der Polizei aufgehört hat, hat er sowieso nicht mehr richtig gewußt, wo er daheim ist.
    Solange er noch bei der Polizei war, hat er seine Buwog-Wohnung gehabt, Bundesangestelltenwohnung, günstige Miete und alles. Und wie er vor zweieinhalb Jahren bei der Polizei weg ist, Wohnung natürlich auch weg. Und seither ist er immer ein bißchen herumzigeunert. Einmal hier ein Mord mit Unterkunft, einmal dort ein Betrug mit Firmenhotel.
    Ich möchte nicht sagen, daß ihn diese Situation besonders gestört hat. Im Gegenteil, es hat auch seine Vorteile gehabt.
    Aber die Stelle bei der Rettung natürlich auch ihre Vorteile, sprich: 70-Quadratmeter-Dienstwohnung.
    Die Wiener Rettungszentrale ist in der Hinsicht eine wunderbare Konstruktion gewesen. Das war so ein riesiger Innenhof, von dem dreißig Garagen weggegangen sind, dazu noch die Werkstatt und die Bereitschaftsräume. Und in der Mitte vom Hof ein prächtiger Glaspavillon, das war die Funkzentrale.
    Und über den Garagen die Dienstwohnungen für die Fahrer. Da hast du in der Freizeit in den Hof hinunterschauen können, wie deine Kollegen arbeiten müssen.
    Ich glaube, die Wohnung ist der Hauptgrund gewesen, warum der Brenner ohne langes Überlegen die Stelle als Rettungsfahrer angenommen hat. Und nicht das Ansehen. Weil wenn du heute siebenundvierzig Jahre alt geworden bist ohne gewaltiges Ansehen, dann, auf deutsch gesagt: scheißt du die restlichen Jahre auch darauf.
    Obwohl der Brenner ja noch ein bißchen in der Zeit aufgewachsen ist, wo es geheißen hat: Nicht nur an die Pension denken, nicht nur der Bausparkredit zählt und die Lebensversicherung. Sondern auch ein bißchen die sinnvolle dings. Ja, du lachst heute darüber, aber das ist eben damals so eine Modeerscheinung gewesen. Das mußt du dir so vorstellen, wie man heute die Rollschuhe hat, oder noch besserer Vergleich mit dem Mountainbike. So haben früher die Leute auch ihre Sachen gehabt.
    Und ein bißchen eine Rolle könnte es auch gespielt haben, daß der Brenner selber voriges Jahr von den Kreuzrettern gerettet worden ist. Ihm ist damals der kleine Finger abgehackt worden, das ist sogar groß in der Zeitung gestanden. Gott sei Dank wieder angenäht. Aber viel hätte nicht gefehlt, und er wäre verblutet. Da ist er dem Totengräber in letzter Sekunde noch einmal von der Schaufel gehüpft.
    Nur damit du verstehst, warum der Brenner auf einmal in Rettungsuniform im Bereitschaftsraum sitzt. Er hat ein bißchen die
Bunte
durchgeblättert, weil es ist einer von diesen furchtbaren Tagen gewesen, wo einfach nichts los war.
    Anscheinend in der ganzen Stadt kein Herzinfarkt, kein Unfall, kein Selbstmord, kein gar nichts. Und die Saison mit den Schülerselbstmorden hat auch noch nicht so richtig angefangen, weil Zeugnisverteilung erst in fünf Wochen.
    Und das Donauinselfest auch erst in ein paar Wochen. Wo du halb Wien, also fast eine Million Menschen, mit Alkoholvergiftung einliefern mußt. Die Sozis haben schon überlegt, daß sie für ihr Fest einfach die Donau abpumpen und statt dessen Freibier einlassen, da könnten sie sich das ganze Buden-Aufstellen sparen und die Leute einfach zum Ufer treiben, aber leider technisch noch nicht machbar.
    Aber heute nicht einmal eine Spur von so einem Spaß. Und an solchen Tagen ist es in der Rettungszentrale schon manchmal zum Verzweifeln. Zehn, zwanzig erwachsene Männer sitzen im Bereitschaftsraum herum und langweilen sich zu Tode.
    "Zufälle gibt es", hat der Sanitäter Marksteiner auf einmal gemurmelt und auf die Seite in der
Bunten
gedeutet, die der Brenner gerade gelesen hat. Der Brenner hat zwar so getan, als würde er nicht bemerken, daß der Marksteiner mit ihm redet, aber das ist für den nur ein Grund gewesen, daß er die Lautstärke verdoppelt: "Schau einmal auf die Uhr, Brenner!"
    "Kennst du die Uhr noch nicht?" Wie der Brenner das gesagt hat, hat er aber schon auf die Wanduhr geschaut, eine weiße Küchenuhr mit schwarzen Zeigern, die bestimmt schon ihre

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