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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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seinem Arbeitszimmer. Am späten Nachmittag arbeitete er immer mit offener Tür, damit er hörte, wenn Mom aus dem Atelier runterkam. Meine Eltern arbeiten den ganzen Tag lang in verschiedenen Bereichen des Hauses, ohne sich zwischendurch zu sehen, und am Ende des Tages gibt es immer eine Art großes Wiedersehen.
    Â»Hi, Jim«, rief Mom zurück, so froh, als wäre er gerade von einer langen Reise heimgekehrt. »Wie ist es denn heute gelaufen?«
    Â»Ach, nicht schlecht«, sagte Dad, der aus dem Flur zum Arbeitszimmer kam. »Ich hab es geschafft, das Raumschiff im zwölften Kapitel landen zu lassen. Außerirdische Eindringlinge schleichen sich jetzt durch die finsteren Gassen von Chicago und verbreiten Krankheiten, die ihr euch niemals vorstellen könntet. Ich hab aufgehört, weil mir die Symptome ausgingen. Ich wette, das hier hat Chancen, der ›Film der Woche‹ zu werden.«
    Â»Dad«, sagte ich, »hast du heute jemanden gesehen, der in mein Zimmer gegangen ist?«
    Â»Nur dich«, sagte Dad.
    Â»Unmöglich. Ich war nicht zu Hause. Mir ging es heute Morgen so gut, dass ich zur Schule gegangen bin, und ich bin erst vor zwanzig Minuten wieder zurückgekommen.«
    Â»Tatsächlich? Wie seltsam.« Er zog die Stirn genauso kraus wie Neal, wenn er nicht weiß, was er von einer Sache halten soll. »Na, wenn du nicht hier warst, hab ich dich nicht sehen können. Da hast du recht. Dann muss das gestern gewesen sein.«
    Â»Neal hat gesagt, du hättest ihm erzählt …«
    Â»Hab ich mich wohl geirrt. War mit den Gedanken bei dem neuen Buch. Du weißt ja, wie das manchmal mit mir ist.« Er ging an den Kühlschrank und holte eine Flasche Weißwein heraus.
    Â»Wo du gerade dabei bist, nimmst du auch mal die Burger raus?«, sagte Mom. »Ich hab mich übrigens gerade darüber beschwert, dass du hier heute Morgen gestanden und deinen Eiern beim Braten zugeschaut hast, wo du doch eigentlich die Teller hättest vorspülen können.«
    Â»Ich war nicht wach genug, um an so was zu denken«, sagte Dad.
    Er schenkte zwei Gläser Wein ein, dann setzte er sich mit Mom an den Küchentisch und sie redeten über die Ereignisse des Tages. Das fand ich immer total seltsam, weil keiner von ihnen irgendwo gewesen war oder irgendwen gesehen hatte. Ich ließ die beiden in der Küche zurück und ging wieder hoch ins Wohnzimmer. Neal zeichnete immer noch. Er war mit der Vorderansicht seines Schlosses fertig und hatte mit einer Zeichnung aus einer anderen Perspektive angefangen.
    Â»Ich setze einen Dinosaurier in den Burggraben«, sagte er, ohne aufzuschauen.
    Â»Gute Idee.«
    Ich rückte einen Sessel ans Fenster und schaute aufs Meer hinaus. Direkt unter mir schäumte das Wasser um die Felsen. Eine Möwe kam so nah ans Fenster geflogen, dass ihre Flügel das Glas streiften. Eine graue Feder blieb vom Wind gehalten einen Moment lang daran haften, bevor ein Luftzug sie befreite und davonsegeln ließ.
    Ich hatte Angst.
    Jemand war in mein Leben getreten – und ich wusste nicht, warum. Die Schlussfolgerung, die ich vorhin nach dem Gespräch mit Jeff gezogen hatte, musste ich jetzt verwerfen. Die Tatsache, dass mein Vater ebenfalls ein Mädchen gesehen hatte, das aussah wie ich, an einem Ort, an dem ich nicht gewesen war, sprach gegen einen Zufall. Cliff House wurde tagsüber nicht abgeschlossen. Es war durchaus möglich, dass jemand hereingekommen war. Das Mädchen, das gestern Abend am Strand gewesen war, könnte die Treppe hochgestiegen sein und das Blickfeld meines Vaters gekreuzt haben, der in Gedanken versunken dagestanden und die Szene geplant hatte, die er zu Papier bringen wollte.
    Es könnte passiert sein. Aber … warum?
    Wenn es so einen Menschen gab, ein Laurie-Stratton-Double, was machte sie dann hier auf Brighton Island, jetzt, wo die meisten Sommergäste weg waren? Warum war sie hergekommen? Wann hatte sie ihre Ähnlichkeit mit mir entdeckt? Was wollte sie von mir und von den Menschen, deren Leben ein Teil von meinem war? Aus meinem Zimmer war nichts weggenommen worden, da war ich mir sicher. Meine Sachen waren allem Anschein nach auch nicht verrückt worden. Es sah fast so aus, als ob dieser Mensch aus purer Neugier vorbeigekommen war, um mal zu sehen, wo und wie ich lebte.
    Neal zeichnete weiter. Ich saß schweigend da und schlug mich mit Fragen herum, auf die es keine Antwort

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