Komm zurueck, Como
Frau heillos romantisch veranlagt, viel mehr als ich es mit meiner draufgängerischen Offenheit jemals sein werde. Filme, sowohl lustige als auch traurige, Balladen von Bruce Springsteen, ein Familienalbum, feierlich auf dem Podium stehende Olympiaathleten– all das öffnete bei Sally die Tränenkanäle. Nach fünfzehnjähriger Ehe war ich zwar an diesen Charakterzug gewöhnt, dennoch hatte ich verblüfft die Wandlung von ausgelassenem Lachen zu Tränen mit angesehen, als ihr Vater an seinem achtzigsten Geburtstag spontan das Pepsi-Cola-Lied aus seiner Jugend gesungen hatte. Sie hatte um seine und ihre Kindheit und um ihre Mutter geweint, die plötzlich im Alter von etwas über fünfzig Jahren gestorben war. Sie hatte geweint, weil all das mit einem bittersüßen Beigeschmack über sie hinwegfegte. Ein Hund würde sie vollständig gefangen nehmen.
» Hat Phoebe sie gesehen?«, fragte Sally und zog ihre Hand aus dem Zwinger.
Es gab keinen Grund, zu lügen, auch wenn ich in Versuchung war. » Nur kurz«, antwortete ich. » Richtig Zeit hat sie mit ihr nicht verbracht.«
» Was hat sie gesagt?«
» Nicht viel. Etwas darüber, dass ihr Fell komisch sei. Aber daran kann man sich gewöhnen. Echte Hunde fühlen sich nicht wie Dakta an.« Ich meinte den Stoff-Husky, mit dem Phoebe jahrelang geschlafen hatte.
» Ich weiß, was sie meint«, sagte Sally. » Ihr Fell fühlt sich trocken an. Kein Wunder, wenn man weiß, wie man sich hier um die Hunde kümmert.« Sie blickte den Gang mit den gefängnisartigen Zwingern entlang und sagte etwas, was ich nicht verstand.
» Was hast du gesagt?«, fragte ich nach. Oft höre ich tatsächlich nicht, was meine leise sprechende, manchmal nicht hörbare Frau sagt, mitunter ist mein Nichtverstehen allerdings eine Verzögerungstaktik, um meine Gedanken zu sammeln.
» Natürlich kümmert man sich hier um die Hunde«, erwiderte ich auf Sallys vorherige Bemerkung. » Ansonsten würde das Tierheim geschlossen werden.«
» Woher willst du das wissen?«, provozierte mich Sally mit erhobener Stimme. » Niemand schließt diese grässlichen Welpenfabriken, in denen nur kranke Hunde produziert werden.«
» Wovon redest du? Das ist keine Welpenfabrik. Wir wären doch gar nicht hergekommen, wenn wir das gedacht hätten.«
In dem Augenblick entlud in einem der Zwinger hinter uns eine Bulldogge, anscheinend angeregt von meiner lauten Stimme und meiner angespannten Stimmung, ihre Wut in heftigem Gebell. Ich drehte mich um und warf ihr einen strengen Blick zu, was ihren Unmut nur verstärkte. Kurz darauf stimmten andere Hunde in das Konzert mit ein. Wegen der Lautstärke mussten Sally und ich dankbarerweise unseren Streit beenden. Ein Mitarbeiter des Tierheims erschien und fragte, ob alles in Ordnung sei.
» Prima«, rief ich. » Alles bestens. Sie haben hier eine Menge tolle Hunde.«
Ohne etwas darauf zu erwidern, machte er sich daran, die Bulldogge zu beruhigen.
» Wo ist Phoebe?«, fragte Sally in schärferem Ton. » Ich dachte, sie wäre bei dir.« Wir machten uns in entgegengesetzte Richtungen auf die Suche. Ich fand Phoebe an der Anschlagtafel in der Eingangshalle. Sie betrachtete sich, wie bereits bei unseren vorherigen Besuchen, die Fotos von Familien mit ihren Haustieren, die sie adoptiert hatten. Alle auf den Bildern, selbst die Hunde, Katzen und auch ein Hase, dem man hier Unterschlupf gewährt hatte, schienen zu lächeln.
» Eines Tages hängt auch ein Bild von uns hier, Schatz. Das verspreche ich dir.«
Sie blickte zu mir auf. Ihre braunen Augen wurden feucht und drohten überzulaufen. » Warum habt ihr beide euch angeschrien?«, fragte sie.
» Wir haben uns nicht angeschrien. Hast du uns etwa gehört?«
Sie wandte den Blick wieder zur Anschlagtafel. Sally kam hinzu und streichelte über das feine, blonde Haar unserer Tochter. In Momenten wie diesen wurde mir klar, wie sehr sich meine Frau und meine Tochter ähnelten– blondes Haar, wassergrüne Augen, schmale Schultern, leise Stimmen, aufrechte Haltung und die unverkennbare Art, Widerstand, Unsicherheit oder Empfindlichkeit auszudrücken, indem sie kaum merklich ihr Kinn verschoben.
» Was für eine Sorte Hund ist der hier?«, wollte Sally von Phoebe wissen, die sich mit den einzelnen Rassen bestens auskannte. Sie hatte die Hundebücher fleißig durchgearbeitet, die sie im Lauf der Jahre zu Weihnachten und Geburtstagen geschenkt bekommen hatte.
» Bin ich mir nicht sicher«, antwortete sie. » Es könnte ein Portugiesischer
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