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Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill

Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill

Titel: Kommissar Morry - Der Moerder von Richmond Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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jemand im Theater versehentlich in einer Orkanszene die Windmaschine abgestellt. Es regnete weiter, aber das Fallen der Tropfen war vergleichsweise leise und monoton. Ein Dielenbrett knarrte. Die Tür öffnete und schloß sich. Der Mörder war gegangen. Der Mann am Bett faßte sich an die Stirn. Er spürte, daß sein Kopf schmerzte. Dann gaben plötzlich seine Knie nach. Er nahm auf dem Bettrand Platz. Das Ziel war erreicht, wenn auch in ganz anderer Form, als er es sich vorgestellt hatte.. ..
    War er nun ein Mörder? Gewiß nicht im streng juristischen Sinne. Und doch fühlte er sich so. Denn obwohl ein Fremder die Tat ausgeführt hatte, hatte er selbst nichts unternommen, um den Unbekannten daran zu hindern. Unsinn, schalt er sich.
    Was sind das für blödsinnige Überlegungen? Willst du schon jetzt beginnen, ein Opfer dummer Reue zu werden? Julia mußte sterben. Sie ist tot. Alles andere spielt im Moment nur eine untergeordnete Rolle. Er erhob sich, als ihm bewußt wurde, daß er auf Julias Totenlager saß. Dabei berührte er zufällig ihre Hand, die schlaff über den Bettrand hinaus hing. Der Arm war rund und glatt, noch warm von dem Leben, das ein Fremder soeben aus ihrem jungen Körper hinausgepreßt hatte...
    Er ging zur Tür, ein wenig schwerfällig und mit hängenden Schultern. Wo war der andere? Welchen Weg nach draußen würde der Mörder wählen? Es kamen andere Fragen hinzu, Fragen, an die er vorher gar nicht gedacht hatte, und die ihn jetzt mit quälender Dichte überfielen. War der andere ebenfalls durch den Hintereingang gekommen... und hatte er den Schirm, den Regenmantel und die Galoschen bemerkt... oder war er schon vor ihm eingedrungen und würde die drei Sachen nun jetzt, beim Weggehen, entdecken? Überhaupt: wer war Julias Mörder? Er mußte plötzlich an Burgos drohende Stimme denken. Die Bestie in uns... Sollte Burgos...?
    Nein, das war beinahe völlig ausgeschlossen. Der Schauspieler hätte das Eckzimmer unmöglich so schnell erreichen können. Es sei denn, er hätte den Weg über die Wendeltreppe gewählt, die eigentlich nur die Bediensteten benutzten. Nein, niemand von den Leuten, die im Hause waren, kam für die Tat in Betracht. Der Onkel brauchte Julia, weil sie ihm jene weiblichen Gäste ins Haus führte, die er so sehr schätzte. Burgos und Conway liebten Julia, und Gladys Brooks schied ebenfalls aus. Mit ihrem langen Kleid und den hochhackigen Pumps hätte sie nicht einmal über die Wendeltreppe so rasch nach oben gelangen können. Oder?
    Schuhe kann man ausziehen, das hatte er ja selbst getan. Ein Kleid läßt sich über die Knie nach oben streifen. Trotzdem: es war unwahrscheinlich, daß Gladys Brooks etwas mit dem Mord zu tun hatte. Sie hatte kein plausibles Motiv. Er schlich den dunklen Korridor entlang. Sein Herz klopfte viel stärker, als das bei seinem Kommen der Fall gewesen war. Julia ist tot, Julia ist tot...
    Der Rhythmus seines Herzens hämmerte den Sinn der Worte in sein tiefstes Empfinden hinein. Julia ist tot...
    In der ersten Etage hielt er kurz inne.
    Er hörte die Stimmen. Sie waren nicht sehr laut, und er konnte nicht verstehen, was gesagt wurde. Irgend jemand hatte die Salontür bis auf einen schmalen Spalt geschlossen. Irgend jemand...
    Wer hatte den Salon verlassen und wieder betreten? Wer? Es war jetzt nebensächlich.
    Die fast geschlossene Tür konnte ihm nur recht sein; sie erleichterte seine Flucht.
    Er huschte die Treppe hinab und hastete auf Strümpfen unhörbar an der geschlossenen Küche vorbei zum Hinterausgang, Er zog die Außentür auf und schloß sie hinter sich. Aufatmend stand er in der regenfeuchten Nachtluft unter dem kleinen schützenden Vordach. Das Gefühl der Erleichterung schlug jäh um in ein Empfinden eisiger Bestürzung, als er entdeckte, daß seine Sachen verschwunden waren. Der Schirm, die Galoschen mit den Schuhen, der Regenmantel. Er griff sich an den Hals und blickte entsetzt um sich. Die Sachen waren nirgendwo zu sehen.
    „Verdammt", flüsterte er heiser und schluckte. „Verdammt, verdammt... Die Sinnlosigkeit der in panischer Furcht aneinandergereihten Worte erhöhte nur seine Verwirrung. Es gab bloß eine Erklärung: Der Mörder hatte die Sachen mitgenommen. Aber was wollte er damit? Er konnte sie schwerlich bei der Polizei abliefern. Warum eigentlich nicht? Der Mörder dachte vielleicht daran, sie ohne Absender an die Polizei zu schicken, unter Beifügung einer anonymen Notiz: Diese Sachen gehören dem Mörder von Julia

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