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Kommt Schnee

Kommt Schnee

Titel: Kommt Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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Polizei. »Sind in Davos am Üben. Verdammt. Diese Vollidioten. Jetzt, wo man sie braucht, sind sie nicht ... He, Baumer, wo willst du hin?«
    Baumer hatte sich weggedreht und ging ohne Zögern auf das Bistro zu. Ein junges Mädchen wurde bedroht. Er musste es aus der tödlichen Gefahr retten.
    Rötheli wollte ihn am Arm zurückhalten, aber Heinzmann war schneller. Er griff Röthelis Oberarm und hielt ihn fest. »Lass!«, sagte der erfahrene Wachtmeister.
    »He, Baumer, spinnst du?«, spuckte Rötheli. Er wollte den Griff von Heinzmann abschütteln, aber dieser hatte seine Pranke um dessen Arm geschlossen. Rötheli wand sich wie ein Regenwurm.
    »Lass, sag ich«, wiederholte Heinzmann klar und deutlich und hielt den Chef der Zivilen gefangen. Ein rohes Werkstück in einem Schraubstock.

    *
    Baumer hatte seine Hände in die Taschen seiner Jacke gesteckt. Sein Blick war auf den Boden gerichtet, als er zum Bistro hinüberging. Plötzlich hörte er eine vertraute Stimme in seinem Kopf und sah ein lächelndes Gesicht. Die Frau sagte zärtlich: »Fais attention, mon petit.« Sofort wurde Baumer wieder ruhig und konzentriert. Er antwortete der Stimme in Gedanken: »Mach dir keine Sorgen.«
    Dann trat der Mann mit den großen Füßen ins Bistro ein. Er hatte zuvor den Täter und seine Geisel an ihrem Tisch beobachtet. Sie schienen ihn nicht wahrzunehmen. Als er näher kam, wurde ihm klar, warum Rötheli nicht eingegriffen hatte, nicht eingreifen konnte. Der Amokläufer hatte ein grandioses Samuraischwert in der rechten Hand und bedrohte damit die Bedienung. Die Klinge des Schwertes ließ der Mörder auf der Schulter der etwa 20-Jährigen ruhen. Zwischen die scharfe Klinge des Schwertes und die Halsschlagader des Mädchens passte kein Blatt Seidenpapier mehr. Erstaunt sah Baumer, dass keine Reste vom Blut auf der Klinge waren. War es nach dem Mord vom lupenreinen Stahl abgetropft, so wie Tautropfen von einer Lotusblüte abfließen?
    Baumer musterte den Mörder, ohne ihn direkt anzublicken. Irgendwie erinnerte der Mann an einen dieser schlaksigen Kerle, wie man sie auch immer wieder in der Show »Deutschland sucht den Superstar« findet. Er war in eine schwarze Motorradlederjacke gekleidet. Auf dem Ärmel prangte ein Totenkopf, der in einen Dolch mit gelbem Griff biss. Die Jacke schien die richtige Größe zu haben und doch ertrank der dürre Rocker darin, als wäre sein Körper eingeschrumpft. Sein Gesicht war mager. Die bleiche Farbe und die tief in dunklen Augenhöhlen versunkenen Augen verstärkten den Eindruck von Kränklichkeit. Die Haare hingen ihm speckig in langen Strähnen herab. »Es muss Ewigkeiten her sein, dass der einen Coiffeursalon von innen gesehen hat«, war Baumer überzeugt.
    Der Mörder sprach leise – zärtlich? – mit dem Mädchen. Er lächelte dabei verzückt. Wie das Mädchen darauf reagierte, konnte Baumer nicht sehen, da es leicht von ihm abgewandt saß. Er sah es nur von der Seite her. Baumer glaubte zu spüren, dass es den Täter ruhig anblickte. Dass dies vom Mädchen eine fast unmenschliche Anstrengung abverlangte, verriet einzig seine linke Hand, mit der es sich im schnellen Takt unablässig den Oberarm rieb.

    Unablässig.

    Plötzlich schaute der Mann auf. Das Lachen fiel ihm aus dem Gesicht. »Hey. Was willst du denn hier?«
    Baumer antworte nichts, sondern ging zur Theke hin. Er legte beide Hände darauf. Schaute links. Schaute rechts. Dann schaute er geradeaus, stellte einen Fuß auf die Querstange unter der Theke. Endlich drehte er sich leicht.
    »Ist niemand da?«, sagte Baumer in den Raum.
    »Nein, keiner da. Was willst du?«
    Baumer ignorierte den Kerl mit der Waffe. Der schien irritiert, ließ aber den kühlen Stahl seines Schwertes weiter auf der Schulter der jungen Frau liegen.
    »Hhmm«, machte Baumer.
    »Was sagst du?«
    »Ist hier keine Bedienung?«
    »Nein, sind alle weg. Nur der da ist noch da.«
    Jetzt war Baumer an der Reihe, erstaunt zu sein. Er drehte sich um die eigene Achse und sah in der entfernten Ecke des Bistros einen Geschäftsmann auf einem tiefen Heizkörper sitzen. Sein mausgrauer Anzug war mit Kaffee besudelt. Sein schieferfarbenes Hemd und die kobaltblaue Krawatte hatten ebenfalls einen Schluck Kaffee abbekommen. Auf seinem Schoß hielt der Mann einen schwarzen ledernen Aktenkoffer mit goldenen Aufschlägen fest. Er klammerte sich daran wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring. Baumer, wie auch Rötheli zuvor, war dieser kraushaarige Mann mit stark

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