Kon Tiki - Ein Floss treibt über den Pazifik
sechs Mann und ein grüner Papagei. Die Krabbe Johannes dagegen mußte sich begnügen, als kaltblütiger Außenseiter betrachtet zu werden. In der Nacht kroch der Papagei in seinen Käfig unterm Dach der Bambushütte. Untertags aber spazierte er an Deck umher oder hing zwischen Pardunen und Stagen und führte uns die berückendsten akrobatischen Übungen vor. Anfänglich hatten wir Streckfische in den Maststagen. Aber sie rieben am Tauwerk, so daß wir zu gewöhnlichen Schlingen übergingen. Wenn die Taue sich dehnten und schlapp wurden von Sonne und Wind, mußten alle Mann anpacken und den Mast wieder hochstagen, damit das Eisenholz nicht im lockeren Tauwerk herumschlug und schließlich niederbrach. Das waren die unangenehmsten Augenblicke. Während wir mit aller Kraft zogen und spannten, begann der Papagei mit seiner Clownstimme zu rufen: »hol ein, hol ein, ho-ho-ho-ho, ha-ha-ha-ha!« Hatte er uns dann glücklich zum Lachen gebracht, so lachte er selber über seine eigene Ergötzlichkeit, daß es ihn schüttelte, und schwirrte unentwegt in den Stagen herum.
Zu Beginn unserer Reise war der Papagei voller Bosheit gegen die Funker. Sie konnten glücklich vertieft im Radiowinkel sitzen mit ihrem magischen Kopfschmuck und vielleicht gerade Verbindung mit irgendeinem Radioamateur in Oklahoma haben, da wurde es plötzlich totenstill in den Hörern, und sie bekamen keinerlei Laut mehr heraus, soviel sie auch mit den Drähten orgelten und an ihren Knöpfen drehten. Der Papagei war wieder einmal auf dem Kriegspfad gewesen und hatte ihnen den Antennendraht abgebissen. Das war ja besonders populär in der ersten Zeit, da die Antenne hinter einem Ballon in der Luft hing. Doch eines Tages wurde der Papagei ernstlich krank. Niedergeschlagen hockte er in seinem Bauer, glotzte vor sich hin und rührte zwei Tage kein Futter an, während seine Visitkarten von goldschimmernden Drahtenden glänzten. Da bereuten die Telegraphisten ihr wütendes Geschimpfe und der Papagei seine Missetaten. Ja, von dem Tag an wurden Torstein und Knut seine auserwählten Freunde, und der Papagei wollte nur mehr im Radiowinkel schlafen. Als unser grüner Freund an Bord kam, war seine Muttersprache Spanisch. Lange bevor er Torsteins original-norwegische Lieblingsflüche nachsprechen konnte, behauptete Bengt, daß er sein Spanisch mit norwegischem Akzent zu reden beginne.
Sechzig Tage lang freuten wir uns am Humor und an der Farbenpracht des Papageis. Dann fegte einmal eine große Woge von achtern her übers Deck, während er gerade von der Mastspitze an den Wanten herunterkletterte. Als wir entdeckten, daß er über Bord gegangen war, war es bereits zu spät. Wir sahen ihn nicht mehr, und die »Kon-Tiki« ließ sich weder wenden noch anhalten. Was einmal vom Floß über Bord ging, hatte keine Chance mehr zurückzukommen. Das hatten zahlreiche Erfahrungen bewiesen.
Am ersten Abend wirkte der Verlust des Papageis sehr drückend auf unsere Stimmung. Wir alle wußten, daß uns genau dasselbe widerfahren würde, wenn wir auf einsamer Nachtwache über Bord gingen.
So schärften wir uns erneut alle Sicherheitsregeln ein, legten ein neues Rettungstau für die Nachtwache bereit und sagten einander immer wieder, wir dürften uns noch lange nicht in Sicherheit wiegen, weil es zwei Monate lang gut gegangen war. Auch am hellen Tag konnte ein unvorsichtiger Schritt, eine gedankenlose Bewegung uns dahin führen, wohin der grüne Papagei gegangen war.
Wir hatten einige Male große Eierschalen von Tintenfischen entdeckt, die wie Straußeneier oder weiße Totenschädel auf den blauen Wellen trieben. Nur ein einziges Mal jedoch sahen wir auch den Tintenfisch sich darunter winden. Wir sichteten die schneeweißen Kugeln, als sie mit uns gerade auf gleicher Höhe schwammen. Zuerst glaubten wir, daß es eine leichte Sache sei, im Schlauchboot hinauszurudern und sie zu holen. Dasselbe glaubten wir auch, als einmal der Strick zum Planktonnetz riß. Wir sicherten das Gummiboot mit einem Tau und versuchten zurückzurudern. Zu unserer Enttäuschung aber merkten wir, daß Wind und Wogen so gegen das Boot drückten und das Tau von der »Kon-Tiki« im Wasser derart kräftig bremste, daß es uns nie glückte, zu einem Punkt zurückzurudern, den unser Floß bereits verlassen hatte. Es gelang uns ja, an das, was wir einsammeln wollten, auf ein paar Meter Abstand heranzukommen. Aber dann war auch die ganze Leine draußen, und die »Kon-Tiki« zog uns mit nach Westen. Einmal über Bord -
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