KON-TIKI
Indianern in Mittelamerika wieder, wo die Kultur Perus ihre tieferen Wurzeln hat.
Außer einer Reihe von zufälligen Südfrüchten, die wir verspeisten, bevor sie im Verlauf von ein paar Wochen schlecht wurden, hatten wir eine dritte Pflanze an Bord, die neben der Süßkartoffel die größte Rolle in der Geschichte des Stillen Ozeans gespielt hat. Wir hatten zweihundert Kokosnüsse mit, die unseren Zähnen etwas zu arbeiten gaben und einen erfrischenden Trank lieferten. Einzelne Nüsse begannen sofort zu sprossen, und als wir zehn Wochen auf See lagen, hatten wir ein halbes Dutzend Palmenbabys, bis zu einem halben Fuß hoch, an Bord, die bereits ihre Sprossen öffneten und dicke, grüne Blätter formten. Die Kokosnuß wuchs bereits in vorkolumbianischer Zeit sowohl auf der Panamahalbinsel wie in Südamerika. Der Chronist Oviedo schreibt, daß die Kokospalme bereits bei der Ankunft der Spanier in großen Mengen in Peru vorkam. Gleichzeitig existierte sie längst auf allen Inseln des Pazifik. Die Botaniker haben noch keinen sicheren Beweis, in welcher Richtung sie sich über das Meer verbreitet hat. Aber etwas hat man heute herausgefunden: sogar die Kokosnuß in ihrer berühmten Schale kann ein Weltmeer nicht ohne menschliche Hilfe überwinden. Die Nüsse, die wir an Deck in Körben stehen hatten, hielten sich eßbar und keimkräftig bis nach Polynesien. Aber etwa die Hälfte unseres Vorrats hatten wir im Wogengischt beim Spezialproviant unter Deck. Jede einzelne verdarb im Seewasser. Und keine Kokosnuß kann rascher über das Meer treiben als ein Balsafloß, das den Wind zur Hilfe hat. Es zeigten sich Stellen auf den Nüssen, die Wasser gezogen hatten und aufgeweicht waren, so daß das Seewasser eindringen konnte. Und außerdem gab es in Neptuns Ernährungsamt Polizeiorgane genug, die dafür sorgten, daß nichts Eßbares von der einen Hälfte der Welt nach der anderen schwamm.
Mitten draußen auf dem Meer geschah es an ruhigen Tagen, daß wir in einen weißen Vogelschwarm hineinsegelten, der sich auf den Wellen wiegte. Vereinzelte Sturmschwalben und andere Seevögel, die auf See schlafen konnten, trafen wir nämlich Tausende von Seemeilen vom nächsten festen Punkt. Sahen wir uns dieses kleine Federvolk im Näherkommen an, so bemerkten wir, daß sie zwei bis drei Passagiere an Bord hatten, die auf ihnen elegant mit dem Winde dahinsegelten.
Als die »Kon-Tiki« wie ein anderer Goliath daherkam, bemerkten diese Passagiere, daß hier ein Schiff mit besserer Fahrt und mehr Raum vorbeizog, und dann kamen sie alle seitlich in rasender Geschwindigkeit über die Wasserfläche daher und herauf auf unsere »Kon-Tiki«, während die Vögel ihre Fahrt allein fortsetzen konnten. So begann es bald von blinden Passagieren an Bord der » Kon-Tiki« zu wimmeln. Es waren kleine Meerkrabben von der Größe eines Fingernagels bis zu der eines Fünförestücks. Sie stellten einen Leckerbissen für die Goliaths an Bord dar, wenn diese sie zu fassen bekamen. Solche kleine Krabben nun waren die Polizeipatrouillen Neptuns. Sie waren immer geschwind zur Stelle, wenn etwas Eßbares zu haben war. Als der Koch eines Tages einen fliegenden Fisch zwischen den Stöcken übersah, war dieser am nächsten Tag von acht bis zehn kleinen Krabben bedeckt, die ihn mit ihren Scheren in sich hineingabelten. Meistens waren sie ängstlich, verschwanden und versteckten sich, wenn wir kamen, aber achtern in einem kleinen Loch am Steuerklotz wohnte eine, die Johannes hieß und ganz zahm war. Außer dem Papagei, der unser aller lustiges Nesthäkchen war, wurde auch die Krabbe Johannes in unsere Gemeinschaft an Deck aufgenommen. Ohne Gesellschaft von Johannes fühlte sich der Steuermann, wenn er so dasaß mit dem Rücken zur Hütte und durch den Sonnenschein steuerte, ganz einsam draußen auf dem großen, blauen Meer. Andere kleine Krabben zottelten lichtscheu herum und stahlen Kleinigkeiten, wie Kakerlaken, auf einem gewöhnlichen Schiff, aber Johannes saß breit und rund in seiner Türöffnung und wartete mit Stielaugen auf den Wachwechsel. Jeder neue Posten brachte ein Keksbröckchen oder einen Fischhappen für Johannes mit. Wir brauchten uns bloß über das Loch zu beugen, so kam er ganz heraus auf die Treppe und streckte die Scheren vor. Er nahm uns das Stückchen aus den Fingern und lief in sein Loch zurück, wo er sich in die Türöffnung setzte und wie ein Schulbub mummelte, der das Essen in den Mund stopft, ohne seine Fäustlinge auszuziehen.
Die
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