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KON-TIKI

KON-TIKI

Titel: KON-TIKI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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genug zu tun mit Logbuch und Berichten, Planktonsammeln, Fischen und Filmen. Jedermann hatte so seine Verantwortung und Aufgabe, und keiner mischte sich in die Arbeit des anderen. Alle saueren Geschäfte, wie Ruderwache und Küchendienst, wurden gerecht verteilt. Jeder von uns hatte seine zwei Stunden Tagwache und zwei Stunden Nachtwache. Und der Küchendienst ging die Runde von einem Tag zum anderen. So gab es kaum Gesetze und Regeln an Bord mit Ausnahme dessen, daß der Nachtposten eine Schlinge um den Leib und das Rettungstau seinen festen Platz haben mußte, daß vor der Hütte gegessen wurde und daß gewisse unumgängliche Geschäfte nur achtern am äußersten Ende der Stämme erledigt wurden. Sollte ein wichtiger Entschluß an Bord getroffen werden, riefen wir zu einem Powvow nach Indianermanier und diskutierten die Sache gründlich, bevor wir eine Bestimmung trafen.
    Ein solcher Tag auf der »Kon-Tiki« begann damit, daß die letzte Nachtwache Leben in den Koch hineinschüttelte, der schläfrig auf das taunasse Deck hinauskroch und in der Morgensonne fliegende Fische zu sammeln begann. Da wir keine Lust hatten, den Fisch roh (nach polynesischer wie auch peruanischer Vorschrift) zu schlucken, brieten wir ihn über einem kleinen Primus auf dem Boden einer Kiste, die auf Deck festgebunden vor der Hüttentür stand. Diese Kiste war unsere Küche. Hier war Schutz vor dem Südostpassat, der ständig schräg von achtern gegen die andere Seite blies. Nur wenn Wind und See allzusehr mit der Primusflamme jonglierten, kam es vor, daß die Kiste einmal Feuer fing. Eines schönen Tages war der Koch eingeschlafen. Da stand plötzlich sein ganzer Laden in Flammen, die rasch auf die Wand der Bambushütte übersprangen. Aber der Brand wurde schnell gelöscht, als sich der Rauch in die Hütte wälzte, denn zum Wasser hatten wir es an Bord der »Kon-Tiki« nie weit.
    Dem Duft des gebratenen Fisches gelang es nur höchst selten, die schnarchenden Individuen in der Bambushütte zu wecken, so daß der Koch sie öfters mit der Gabel stechen oder sein »Backen und Banken« in so falschen Tönen singen mußte, bis keiner ihn länger anzuhören vermochte. Wenn es keine Haiflossen längs der Floßkante gab, begann der Tag mit einem raschen Sprung in den Stillen Ozean. Dann folgte das »Frühstück im Blauen« am Rand des Floßes.
    Über das Essen an Bord konnte man kaum klagen. Unsere Kostverhältnisse verteilten sich auf zwei Experimente, eines dem Quartiermeister und dem zwanzigsten, das andere Kon-Tiki und dem fünften Jahrhundert gewidmet. Torstein und Bengt waren als Versuchsobjekte ausersehen und begrenzten ihre Diät auf die netten kleinen Packungen mit Spezialproviant, die wir in dem Hohlraum zwischen den Holzstämmen und dem Bambusdeck versenkt hatten. Fisch und Seeproviant waren auch nie ihre starke Seite gewesen. Alle paar Wochen lösten wir die Verschnürungen, die das Bambusdeck niederhielten, und nahmen neue Proviantschachteln heraus, die wir vor der Bambushütte festzurrten. Es erwies sich, daß die zähe Asphaltschicht auf der Pappe standhielt, während die Konservenbüchsen, die lose danebenlagen, vom Meerwasser, das ständig den Proviant umspülte, angefressen und ausgelaugt wurden.
    Hätte aber die »Kon-Tiki« wie auf der ursprünglichen Fahrt über den Ozean weder Asphalt noch Patentbüchsen gekannt, hatten sich trotzdem keine ernsteren Ernährungsprobleme ergeben. Auch die Versorgung in der Vergangenheit bestand ja aus dem, was man von Land mitnahm und sich unterwegs zu verschaffen wußte. Zwei Absichten müssen wir in Erwägung ziehen, als Kon-Tiki Peru nach der Niederlage bei Titicaca verließ. Als priesterliche Verkörperung der Sonne unter einem Volk von Sonnenanbetern ist es höchst wahrscheinlich, daß er sich aufs Meer hinauswagte, um der Sonne selbst auf ihrer Reise zu folgen in der Hoffnung, ein neues und friedlicheres Land zu finden. Die andere Möglichkeit war, seine Flöße die Küste Südamerikas entlangsegeln zu lassen, um weiter nördlich wieder an Land zu gehen und dort ein neues Reich zu gründen. Bei dem Versuch, die Küste und die feindlichen Stämme an Land zu vermeiden, konnte er dann - wie wir - eine leichte Beute für den Südostpassat und den Humboldtstrom werden. Dann trieben ihn die mächtigen Elemente genau in demselben großen Halbkreis nach Sonnenuntergang.
    Was auch immer diese Sonnenanbeter für Pläne hatten: als sie ihr Heimatland verließen, sorgten sie sicher für Proviant.

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