KON-TIKI
das Buch über die Floß-Expedition wurde ein Bestseller, in 65 Sprachen übersetzt, und der Dokumentarfilm darüber wurde mit einem »Oscar« ausgezeichnet. Es folgte ein jahrelanger Streit, da sich die Wissenschaftler weigerten, die Argumente der »Kon-Tiki-Theorie« anzuhören. Die erste Herausforderung kam von der »Schwedischen Gesellschaft für Anthropologie und Geographie«, die mich aufforderte, dort meinen Standpunkt zu vertreten - mit dem Ergebnis, daß ich meine erste wissenschaftliche Auszeichnung erhielt. Weitere folgten, erst Schottland, dann Frankreich. 1952, fünf Jahre nach der Floßfahrt, war ich endlich in der Lage, mein 800 Seiten umfassendes Buch American Indians in the Pacific, The Theory Behind the Kon-Tiki-Expedition, zu veröffentlichen.
Im selben Jahr erfolgte eine noch größere Herausforderung seitens der Opposition: Eine Einladung, drei Vorlesungen auf dem 30. internationalen Amerikanistik-Kongreß an der Universität Cambridge zu halten. Die Opposition blieb stumm, und als der nächste Kongreß in Brasilien stattfand, nahm ich als Ehren-Vizepräsident daran teil. Aber die Auseinandersetzungen gingen weiter. Es wurde behauptet, die Galapagosinseln würden den Gegenbeweis zu der »Kon-Tiki-Theorie« liefern. Die Inseln liegen näher an Südamerika als irgendeine andere polynesische Insel. Warum waren sie nicht von Südamerikanern besiedelt worden, wenn diese schon den Mut gehabt hatten, den ganzen Weg bis Polynesien zu wagen? Eine neue Herausforderung, der neue Studien an Bibliotheken folgten.
Viele Gelehrte haben - seit Darwin - die Galapagos-Inseln besucht; Zoologen, Botaniker, Geologen, doch kein einziger Archäologe. Keiner hatte es für sinnvoll gehalten, auf Inseln, so weit vom Festland entfernt, nach frühen menschlichen Spuren zu suchen. Alle Besucher waren davon überzeugt, daß keine Menschenseele diese Inseln gesehen hatte, bevor die ersten Europäer 1535 hier landeten. Nachdem ich bewiesen hatte, daß die Balsaholzflöße der Inkas seetüchtig waren, brachte ich 1953 die ersten zwei Archäologen auf die Galapagos-Inseln: E. K. Reed (USA) und A. Skjölsvold (Norwegen). Sie untersuchten das Gelände an den wenigen Stellen, an denen eine Landung vorgeschichtlicher Flöße zwischen Lavaklippen und Felsen möglich gewesen wäre. Man entdeckte vier prähistorische Lagerplätze auf drei Inseln. Aus der trockenen Erde der Kaktuswälder scharrten die Wissenschaftler folgende Gegenstände hervor: eine vogelförmige Inka-Terrakotta-Flöte, drei schwarze Tonfrösche aus der Vor-Inka-Periode, einen primitiven Spinnwirtel aus Speckstein, Obsidiane, Feuersteine und Scherben von 131 zerbrochenen, aus der Urzeit stammenden Gefäßen, von denen 44 von Experten des Nationalmuseums in Washington als Gegenstände aus der Vor-Inka-Zeit identifiziert wurden. Zahlreiche Besucher aus dem vorkolumbianischen Peru und Equador hatten auf den unfruchtbaren Galapagos-Inseln kampiert, doch eine dauerhafte Besiedlung war nicht möglich gewesen, da - bedingt durch die wenigen Regenfälle - nur jährlich kurze Zeit Trinkwasser vorhanden war.
Die am nächsten gelegene bewohnbare Insel war die Osterinsel, auf halbem Weg zwischen Südamerika und Polynesien. Die kolossalen Statuen und Steinmauern unbekannten Ursprungs waren nach Aussagen der polynesischen Bevölkerung Überreste früherer Bewohner. Gelehrte glaubten, daß diese Insel keineswegs von Urvölkern hatte erreicht werden können, da sie am weitesten von Asien entfernt war. Wie aber, dachte ich mir, konnten die Urbewohner der Osterinsel Zeit gehabt haben, diese erstaunliche prähistorische Kultur zu entwickeln und sie später wieder vergessen; eine Kultur, die immerhin sämtliche Gelehrte in Erstaunen setzte, da sie so große Ähnlichkeit mit der Vor-Inka-Kultur und deren Überbleibsel aufweisen konnte?
Dr. H. Lavachery, der einzige Berufsarchäologe, der die Osterinsel besucht hatte, gab zu, keinerlei Ausgrabungen vorgenommen zu haben, da der Boden unfruchtbar und eine Besiedlung erst zu späterer Zeit denkbar gewesen sei.
Von 1955 bis 1956 charterte ich ein Expeditionsschiff, um ein Jahr lang die Osterinsel und das östliche Polynesien zu erforschen. In unserem Team waren fünf Berufsarchäologen: A. Skjölsvold (Norwegen), E. N. Ferdon, W. Mulloy, C. S. Smith (USA) und G. Figueroa (Chile).
Die Ausgrabungen brachten zutage, daß die berühmten »Riesenköpfe« bis zum Hals eingegrabene Statuen waren, deren riesige Körper und Arme noch unter der
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