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KON-TIKI

KON-TIKI

Titel: KON-TIKI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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hatte. Denn das Steuerruder wurde festgebunden, wenn das Wetter so beständig war, und das Segel der »Kon-Tiki« straffte sich im stetigen Wind, ohne unsere Aufmerksamkeit zu brauchen. Da konnte dann auch die Nachtwache in aller Ruhe an der Hüttenöffnung sitzen und nach den Sternen gucken. Wechselten die Sternbilder am Himmel ihren Platz, so war es an der Zeit, aufzustehen und nachzusehen, ob der Wind oder das Steuerruder sich gedreht hatten. Es war unglaublich leicht, den Kurs nach den Sternen zu nehmen, nachdem wir sie erst einmal einige Wochen hindurch über das Himmelsgewölbe kreisen gesehen hatten. Es gab ja überhaupt kaum anderes, das wir in der Nacht betrachten konnten. Bald wußten wir, wo wir die einzelnen Sternbilder Nacht für Nacht erwarten konnten. Als wir gegen den Äquator kamen, stieg der Große Bär so hoch über den Horizont im Norden, daß wir schon fürchteten, einen Blick vom Polarstern zu erhaschen. Der taucht nämlich auf, wenn man von Süden kommend den Äquator kreuzt. Aber der Große Bär versank wieder, als der Nordostpassat einsetzte.
    Die alten Polynesier waren große Seefahrer. Sie steuerten am Tag nach der Sonne und in der Nacht nach den Sternen. Ihre astronomischen Kenntnisse waren verblüffend. Sie wußten, daß die Erde rund ist, und hatten Namen für so komplizierte Begriffe wie Äquator, Ekliptik und nördlichen und südlichen Wendekreis. Auf Hawaii schnitten sie Seekarten ihrer Meeresumgebung in die Schale von runden Flaschenkürbissen, und auf einzelnen anderen Inseln stellten sie Detailkarten aus Flechtwerk her, wobei Perlmuttschalen die Inseln darstellten und Knoten bestimmte Strömungsrichtungen markierten. Die Polynesier kannten fünf Planeten, die sie wandernde Sterne nannten, und unterschieden sie von den Fixsternen, für die sie fast dreihundert verschiedene Namen geprägt hatten. Ein guter Steuermann im alten Polynesien wußte ganz genau, wo die einzelnen Sterne am Himmel heraufkommen und wo sie zu den verschiedenen Zeiten der Nacht und zu den verschiedenen Zeiten des Jahres stehen würden. Er wußte auch, welche Sternbilder über den einzelnen Inseln kulminierten. Es kam vor, daß eine Insel denselben Namen hatte wie der Stern, der über ihr stand, Nacht um Nacht, Jahr um Jahr.
    Weil der Sternenhimmel wie ein Riesenkompaß über ihnen von Osten nach Westen rotierte, erkannten sie bald, daß die Sterne gerade über ihnen immer verrieten, wie weit nördlich oder südlich sie sich befanden. Da die Polynesier das ganze Meer fast bis Amerika erforscht und unterworfen hatten, konnten sie auch viele Generationen hindurch Verkehr zwischen den einzelnen Inseln aufrechterhalten. Geschichtliche Überlieferungen berichten, daß die Häuptlinge von Tahiti Hawaii besuchten, das über zweitausend Seemeilen weiter nördlich und einige Grade weiter westlich liegt.
    Da steuerte dann der Mann am Ruder nach der Sonne und nach den Sternen zuerst direkt nach Norden, bis die Sterne gerade über seinem Kopf ihm sagten, daß er den Breitengrad Hawaiis erreicht hatte. Dann schwenkte er im rechten Winkel mit Kurs nach Westen, bis er so nahe kam, daß Vögel und Wolken ihm verrieten, wo die Inselgruppe lag.
    Woher hatten die Polynesier ihr großartiges astronomisches Wissen und ihren Kalender, der so verblüffend genau errechnet war? Sicherlich nicht von den melanesischen und malaiischen Völkerschaften im Westen. Aber dasselbe verschwundene alte Kulturvolk, die »weißen und bärtigen Männer«, die den Azteken, Inkas und Mayas ihre verblüffende Kultur in Amerika gebracht hatten, hatte ebenfalls einen bemerkenswert ähnlichen Kalender ausgearbeitet und besaß das gleiche astronomische Wissen, mit dem Europa in der entsprechenden Zeit nicht konkurrieren konnte.
    Wo das Festland gegen den Stillen Ozean absinkt, steht heute noch in Peru ein uraltes Observatorium im Wüstensand, eine Erinnerung an dasselbe rätselhafte Kulturvolk, das Steinkolosse meißelte, Pyramiden erbaute und Süßkartoffeln und Flaschenkürbisse zog.
    Am 2. Juli konnte die Nachtwache nicht in Frieden sitzen und den Sternenhimmel studieren. Nach vielen Tagen mit flauer Nordostbrise bekamen wir kräftigen Wind und schwere See. Gegen Nacht hatten wir bei strahlendem Mondschein eine wirklich frische Segelfahrt. Wir maßen die Geschwindigkeit, indem wir ganz vorne am Seitenbalken einen Span hinauswarfen und dann die Sekunden zählten, bis wir ihn mit dem Heck passierten. Dabei stellten wir fest, daß wir jetzt unseren privaten

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