KON-TIKI
derart kräftig bremste, daß es uns nie glückte, zu einem Punkt zurückzurudern, den unser Floß bereits verlassen hatte. Es gelang uns ja, an das, was wir einsammeln wollten, auf ein paar Meter Abstand heranzukommen. Aber dann war auch die ganze Leine draußen, und die »Kon-Tiki« zog uns mit nach Westen. Einmal über Bord - ewig über Bord! Das war eine Erfahrung, die sich nach all dem unabänderlich in unser Bewußtsein eingeprägt hatte. Mitgegangen - mitgehangen, hieß es für uns, bis die »Kon-Tiki« auf der anderen Seite des Meeres mit ihrem Bug an Land stoßen würde.
Ohne den Papagei war der Radiowinkel leer und verwaist. Aber da die Tropensonne am nächsten Tag gleich hell über dem Stillen Ozean strahlte, währte auch unsere Trauer nicht lange. Acht Tage danach zogen wir viele Haie an Bord. Immer wieder fanden wir zwischen den Thunfischköpfen und anderen schwer verdaulichen Dingen dunkle, krumme Papageienschnäbel im Haimagen. Bei näherer Betrachtung zeigte sich jedoch immer, daß diese schwarzen Schnäbel verdauten Tintenfischen angehörten.
Die beiden Funker hatten schweren Dienst in ihrem Winkel drinnen. Seit ihren ersten Tagen an Bord tropfte das Seewasser aus den Batteriekisten, so daß sie den empfindlichen Radiowinkel mit Segeltuch abdecken mußten, um zu retten, was bei dem hohen Seegang noch zu retten war. Dann rauften sie mit dem Problem, auf dem kleinen Floß eine genügend lange Antenne aufzubauen. Sie versuchten, den Draht mit einem Drachen in die Luft steigen zu lassen, der aber trudelte herunter und verschwand im Wogengischt. Nun probierten sie, die Antenne mit einem Ballon in die Höhe zu lassen. Doch die Tropensonne brannte Löcher in seine Haut, so daß er bald ausgeatmet hatte und in der See versank. Dazu hatten sie noch ihren Kummer mit dem Papagei. Und obendrein vergingen noch vierzehn Tage, bevor wir mit dem Humboldtstrom aus einer toten Zone vor den Anden heraustrieben, in der die Kurzwellen stumm und leblos waren wie die Luft in einer Konservenbüchse.
Doch eines Tages drangen sie wieder durch. Torsteins Ruf wurde zufällig von einem Radioamateur in Los Angeles gehört, der an seinem Sender spielte, um Verbindung mit einem anderen Amateur in Schweden zu bekommen. Der Mann interessierte sich vor allem dafür, welchen Apparat wir hatten. Und als er das zufriedenstellend beantwortet bekam, fragte er, wo sich Torstein aufhielte und wo er wohne. Als er dann zu hören bekam, daß Torstein auf einem Floß in einer Bambushütte mitten im Stillen Ozean hause, kamen einige merkwürdige Tastzeichen zurück, bis ihm Torstein nähere Details servierte. Nachdem der Mann hinter dem Äther sich wieder erholt hatte, erzählte er, daß er Hai heiße und eine Frau namens Anna habe. Sie sei eine geborene Schwedin und würde unsere Familien verständigen, daß wir am Leben seien und es uns gut ginge.
Es war ein merkwürdiger Gedanke an diesem Abend, daß ein völlig fremder Mann, der sich Hai nannte und als Kinooperateur droben im Menschengewimmel von Los Angeles lebte, außer uns selbst der einzige Mensch auf der weiten Welt war, der genau wußte, wo wir waren und daß wir es gut hatten. Von nun an hockten Hai, alias Harold Kempel, und sein Freund Frank Cuevas abwechselnd Nacht für Nacht hinter dem Radiokasten und lauschten auf die Signale von unserem Floß. Hermann empfing denn auch bald anerkennende Telegramme vom Chef des amerikanischen Wetterdienstes für seine täglichen Codemeldungen aus einem statistisch völlig unerfaßten Gebiet. Später bekamen Knut und Torstein fast jede Nacht auch Kontakt mit anderen Radioamateuren. Diese vermittelten über den Amateur Egil Berg in Notodden Grüße nach Norwegen.
Einige Tage später nahm unser Radiowinkel doch etwas zuviel Salzwasser über, und die Station ging vollständig ein. Die Funker standen Tag und Nacht kopf und hantierten wie besessen mit Schraubenziehern und Lötkolben. Die Amateure in der Ferne glaubten schon, die Tage unseres Floßes seien gezählt. Aber eines Nachts drangen die Signale LI2B wieder hinaus durch den Äther, und im Radiowinkel summte es bald wie in einem Wespennest, da viele hundert amerikanische Radioamateure sich über die Taste warfen und gleichzeitig antworteten.
Auch wir selber waren nicht gegen das Gefühl gefeit, uns in ein Wespennest zu setzen, wenn einer von uns sich in das Allerheiligste der Funker verirrte. Alles war rauh vom Seewasser, das sich am Holzwerk überall emporzog. Lag auch, wo die Funker saßen,
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