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Kontrollpunkt

Kontrollpunkt

Titel: Kontrollpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Albahari
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schon fast am Gipfel war oder genauer nahe der Stelle, an der der grasbewachsene Hang in einen steinigen Pass überging, auf dessen anderer Seite ein Weg, ebenso wie jener verminte Pfad, zum Grenzübergang und zum sicheren Heimweg führte. Während er – jetzt aber wegen der rollenden Steine – immer wieder ausrutschte, dachte der Kommandant daran, dass er mit vielen Männern ausgezogen war und nun allein zurückkam. Ich bin Odysseus, schluchzte er bitterlich, hörte aber schnell auf, weil er sich nicht mehr erinnern konnte, ob Odysseus alleine heimgekehrt war oder ob einer seiner Mitstreiter doch überlebt hatte. Außerdem wartete im Unterschied zu Odysseus auf ihn zu Hause niemand. Da dachte der Kommandant wieder an den Koch. Wo mochte der wohl stecken? Kurz darauf machte er einen grausigen Fund: Etwa ein Dutzend großer Vögel hockten auf einem Kadaver, aus dem sie mit ihren gebogenen Schnäbeln Stücke rissen. Er nahm an, es sei eine tote Gebirgsziege, aber als er näher kam und die gierigen Vögel verscheuchte, war ihm plötzlich klar, vor ihm lag der halb abgenagte Körper des Kompaniekochs. Er erkannte ihn an einem hellblauen Auge und an seinem großen Kopf; das andere Auge sowie die Zunge und ein Teil einer Wange waren bereits weggefressen. Während er den Koch betrachtete, stieg in dem Kommandanten Übelkeit hoch, er taumelte bis zum nächsten Felsen, erbrach sich und wimmerte dabei ähnlich wie jene vergifteten Hunde. Wer weiß, vielleicht hatte er auch etwas von dem Gift abbekommen, das er um Mladens Leiche gestreut hatte? Seit seiner Kindheit hatte er nämlich die Angewohnheit, nach jeder Tätigkeit die Finger abzulecken, egal ob er Weißkohl in ein Sauerkrautfass stampfte, in einem zerlegten Fisch nach gefährlichen Gräten stocherte, Salz aufs Essen streute oder Zucker in die Creme für eine Torte tat. Zum Schluss leckte er immer mindestens einen Finger ab, ohne darauf zu achten, ob daran etwas hängen geblieben war, und das hatte er wohl auch vorhin getan, nachdem er das Gift rund um Mladens Körper verstreut hatte. Was bin ich doch für ein Idiot, murmelte der Kommandant und bedachte sich mit weiteren saftigen Schimpfwörtern. Obwohl er sich schon erbrochen hatte, war sein Magen noch immer aufgebläht und schmerzte; um ihn restlos zu leeren, steckte er sich zwei Finger in den Hals. Das erneute Würgen raubte ihm den Atem, ihm war, als sei das das Ende. Er fühlte, wie sein Magen sich zusammenzog und dehnte beim Versuch, den guten Inhalt von dem üblen zu trennen, wusste aber, dass dies ein verlorener Kampf war, der erst beendet sein würde, wenn der Magen völlig leer wäre. Inzwischen kotzte er, wo er ging und stand, und die Aasgeier spazierten ungeniert um ihn herum. Dem Kommandanten war, als sänken feuchte Nebelschwaden auf ihn herab, er zwinkerte unablässig und wischte sich von Zeit zu Zeit Tropfen von Stirn und Wangen. Seine Waden zitterten, er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, ließ sich auf die Knie fallen und kroch zu den Überresten des Kochs. Vielleicht, dachte er, sei ihm beschieden, als Hüter der ausgehöhlten Leiche des Kochs zu enden. Er warf einen Blick hinunter auf den Hang, sah aber niemanden. Wieder befiel ihn das Gefühl, die Feinde seien schon nahe, beobachteten ihn spöttisch und warteten nur darauf, dass seine Aufmerksamkeit nachließ, um über ihn herzufallen und ihn mit den übrigen Gefangenen fortzuschleppen, als bereiteten sie einen triumphalen Einzug in Rom vor. Den Kommandanten schauderte es, er bekreuzigte sich heimlich und machte sich daran, seine Sachen zusammenzupacken. Den Wohnungsschlüssel konnte er nicht finden, beruhigte sich aber, denn es fiel ihm ein, dass er ihn in der anderen Hose gelassen hatte, die zusammen mit den übrigen Kleidungsstücken, den Hemden, den Strümpfen, den Unterhosen, den Taschentüchern, zerknautscht in seinem Rucksack steckte. Er dachte daran zurück, wie er den Rucksack gepackt hatte, um sich mit seiner Kompanie auf den neuen Kampf vorzubereiten, und ihm schien, seitdem seien mindestens sechs, wenn nicht sogar ganze acht Monate vergangen, obwohl sich alles binnen vierzehn Tagen abgespielt hatte, vielleicht binnen drei Wochen, oder einem Monat, mehr war es nicht gewesen, ganz bestimmt nicht, was bedeutete, dass er in seinem Heft mit den Tagesbefehlen mindestens einundzwanzig, höchstens fünfundzwanzig Seiten vollgeschrieben hatte, was er leicht überprüfen könnte, aber auch das Heft lag ganz tief unten in seinem

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