Kontrollpunkt
Stimmen und verzog sich schnell in den Wald. Während er wartete, dass die Stimmen sich entfernten, dachte er daran, dass sein Leichtsinn ihn den Kopf hätte kosten können. Vorsichtig ging er zu der Stelle, wo sich Mladens Körper befand, aber der lag nicht mehr dort. Wer mag ihn bloß weggeschleppt haben?, fragte sich der Kommandant leise, obwohl er wusste, dass niemand ihm antworten würde. Solche Dinge gab es auch anderswo, stimmt’s? Wenn es stimmte, und das tat es doch wohl, bestand kein Grund zur Sorge. Er machte etwa zwanzig Schritte in beiden Richtungen, fand aber keine Spur. Wahrscheinlich hatte er nicht genau geschaut oder die Schritte nicht richtig gezählt, denn als er sich, schon bereit aufzubrechen, umdrehte, sah er zwei Soldaten, die Mladens leblosen Körper schleppten. Es ist schwer zu sagen, wer verblüffter war, die feindlichen Soldaten oder unser Kommandant. Dieser fand sich jedoch schneller zurecht als sie, denn er richtete blitzartig (obwohl es Beobachtern, wenn es welche gegeben hätte, unvergleichlich langsamer vorgekommen wäre) seine Maschinenpistole auf sie. Die Soldaten hoben gleichzeitig die Hände, und Mladens Leiche plumpste auf die Erde. Passt doch auf, schrie der Kommandant, das ist doch kein Stück Eisen, das man so herumwerfen kann! Die Soldaten sahen einander an, dann sagte einer von ihnen: Aber der ist schon tot, mein Herr, dem kann nichts mehr passieren. Der Kommandant hob den Zeigefinger und mahnte: Da kann man nie sicher sein, Kamerad. Wunder können jederzeit geschehen. Aber sag mir lieber zuerst, wo du meine Sprache erlernt hast. Der Soldat erwiderte lächelnd: Ihre? Das ist doch meine Sprache! Der Kommandant nickte nachdenklich und betrachte te eingehend das Gesicht des Soldaten. Bist du vielleicht einer aus der Familie Dejanović?, fragte er, und als der Soldat das bejahte, fuhr er fort: Was suchst du denn hier? Nimm die Hände wieder runter und verschwinde samt deinem Mitkämpfer. Die Soldaten ließen die Arme sinken und gingen langsam den Berg hinunter, als der Dejanović plötzlich stehen blieb und den Kommandanten fragte: Und was suchen Sie hier? Der Kommandant schwieg zunächst, dann richtete er seine Maschinenpistole auf sie und rief: Wollt ihr sehen, was ich hier suche, wollt ihr das wirklich sehen? Er schoss eine kurze Salve über ihre Köpfe, und sie stoben davon, immer wieder gegeneinanderstoßend. Der Kommandant wartete, bis sie hinter einem Gestrüpp verschwunden waren, dann ging er zu Mladens Leiche. Der Gürtel und die Hose standen offen, und er wusste, dass dasjenige, was dort gesteckt hatte, jetzt unwiderruflich weg war. Er hätte die Taschen der beiden Soldaten durchsuchen sollen, statt mit ihnen sentimentale Gespräche zu führen. Jetzt musste er auch noch mit einer neuen Verfolgung rechnen, die beginnen würde, sobald die beiden die Wiese erreichten. Er hätte sie töten und sich nicht lange mit der Frage beschäftigen sollen, wer wessen Sprache sprach. Jeder spricht seine Sprache, und das wird immer so bleiben, nur dass die Sprache des Siegers die Hauptsprache ist, anders geht es einfach nicht. Es wäre auch merkwürdig, wenn der Sieger die Sprache des Verlierers spräche, so wie es nur allzu verständlich ist, dass der Verlierer die Sprache des Siegers benutzt. Aber was, wenn Sieger und Verlierer dieselbe Sprache sprechen? Der Kommandant liebte solche überraschenden literarischen Tricks nicht, die ihn ratlos machten und von ihm wenigstens ein Minimum an Grips verlangten, versuchte jedoch, diese Falle zu umgehen, indem er sagte: Dann erfindet man schnell eine neue Sprache, das ist wenigstens leicht! Nichts ist leicht, dachte der Kommandant, aber bei der Sprache ist es doch am leichtesten. Man muss nur beharrlich sein, dann akzeptieren alle, was man ihnen aufzwingt. Die Sprache ist eine Gewohnheitssache, sagte Mladen leise, wie für sich, aber mit Triumph in der Stimme. Man muss ein Wort oder einen Satz nur lange genug wiederholen, am Ende glaubt man, dessen Schöpfer zu sein. Und wenn man glaubt, die Worte geschaffen zu haben, kann man sich erlauben zu glauben, dass man mit diesen Worten eine ganze Welt geschaffen hat. Der Kommandant traute seinen Ohren nicht: Der Körper, den bis vorhin alle für tot gehalten hatten, sprach auf einmal und zeigte auch keine Absicht aufzuhören! Er ging wieder zu ihm hin, in diesem Augenblick öffnete Mladen die Augen, setzte sich auf und sah sich um. Wunderbar, sagte er, kein Mensch da. Die ganze Gegend gehört uns
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