Kontrollverlust - Kontrollverlust
Hessen für Sicherheit und Ordnung sorgten, war es höchste Zeit, sich einen Leibwächter zu besorgen oder Tae-Kwon-Do zu lernen. Denk nicht zu viel nach, dachte sie. Mach einfach deinen Job. Sie öffnete die Tür zu Raum drei und schob den Kommissar über die Schwelle. Bevor sie die Tür wieder geschlossen hatte, hörte sie hinter sich an der Aufzugtür eine laut quäkende Kinderstimme.
»Gran Turismo ohne Sound ist SCHEISSE!«
Im gleichen Moment klingelte das Telefon an ihrem Schreibtisch. Hoffentlich nicht wieder dieser Stalker, der seit Tagen regelmäßig anrief, um zu erfahren, wann Weiler im Haus war. Im Umfeld dieser PCC schienen sich nur Chaoten zu tummeln.
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Der Consultant fingerte noch ein paar Sekunden auf seinem Notebook herum, bevor er sich Rünz widmete. Genau die gleichen Marotten wie Hoven, dachte Rünz. Dieser Typ kam ihm irgendwie bekannt vor, er war sicher, ihn schon einmal gesehen zu haben. Weiler schien es nicht so zu gehen, aber das mochte auch an Rünz’ perfekter Tarnung liegen.
Das folgende Gespräch offenbarte dem Kommissar die gesamte herzzerreißende Dämlichkeit des SUSC-Konzeptes, das Hoven mit dieser Karikatur eines Unternehmensberaters ausgeheckt hatte. Pures, bunt schillerndes Blendwerk ohne Substanz und Inhalt. Und wenn, wie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, das Programm zur Lachnummer des hessischen Polizeiwesens wurde, stand Rünz mit der Clownsnase in der Manege, und nicht sein Vorgesetzter. Frei nach Hovens Maxime: Erfolge feiern, Misserfolge delegieren.
Viel interessanter war eine Bemerkung Weilers, die beiläufig erfolgte, in einem Nebensatz versteckt. Eine Bemerkung, aus der Rünz schloss, dass Weiler bei seinen Beratungsdienstleistungen für Hoven auf Personaldaten zugriff, die definitiv nicht in die Hände Dritter gehörten. Ja, mehr noch, einige Aussagen Weilers deuteten auf eine Art konspiratives Assessment-Center hin, in dessen Rahmen Hoven und Weiler die Zukunftsperspektiven einzelner Mitarbeiter des Präsidiums ausgelotet hatten. Jetzt wurde es spannend. Wohin für Rünz die Reise gehen sollte, war ja klar. Aber was war mit Wedel? Und hatten die beiden auch die Schutzpolizisten vom zweiten Revier unter die Lupe genommen? Brecker vielleicht? In Rünz erwachten Neugier und Ermittlerinstinkt. Er setzte sich aufrechter hin, nahm die dickglasige Nickelbrille von der Nase und strich sich die Haare glatt, um etwas mehr Seriosität auszustrahlen. Er beschloss, die bewährte Strategie anzuwenden – hemmungsloses Anschleimen. Was bei Hoven funktionierte, würde bei diesem aufgeblasenen Typen auch Ergebnisse bringen.
»Also, ich muss Ihnen wirklich sagen, ich finde das ganz erstaunlich, was Sie mit Herrn Hoven zusammen auf die Beine stellen.«
»Na ja, ist mein Job«, winkte Weiler in gespielter Bescheidenheit ab, sichtlich geschmeichelt.
»Doch, wirklich«, setzte Rünz nach. »Ich denke gerade darüber nach, wie wir die SUSC-Einheit so aufstellen, dass wir gleich vom Start weg hochperformant agieren können.«
Dieser Weiler schien hochgradig angetan von so viel Initiative. »Was schwebt Ihnen vor? Schießen Sie los, Herr Kommissar!«
»Ich würde gerne zwei Kollegen mit ins Boot holen, von denen ich mir perfektes Teamwork bei minimalen Reibungsverlusten verspreche.«
»An wen denken Sie da?«
Rünz triumphierte innerlich, schon die Frage war ein Offenbarungseid. Hoven hatte Weiler mit detaillierten Personalinfos gefüttert und musste im Präsidium nicht einmal Gegenwind für solche Aktionen befürchten, weil er die Leitung der Stabsstelle ›Personalentwicklung‹ mit einem königstreuen Vasallen besetzt hatte.
»An meinen Assistenten Ansgar Wedel und Klaus Brecker vom zweiten Revier«, sagte Rünz und beobachtete Weiler, dem die Gesichtszüge zu entgleiten schienen.
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Das konnte diese abgerissene Ermittler-Parodie nicht ernst meinen. Er sollte den Ex-Mann seiner Freundin zum Mitglied einer Spezialeinheit aufwerten? Jetzt, wo er kurz davor war, diesen Brecker persönlich und beruflich zu ruinieren, aus der Vergangenheit seiner Partnerin quasi auszulöschen? Das musste er diesem Kommissar ausreden.
»Also, was Ihren Assistenten angeht, sehe ich da überhaupt keine Probleme. Aber dieser Brecker – wie sagten Sie, war der Vorname? Klaus? Warten Sie mal …«
Weiler blätterte noch ein wenig in einer leeren Excel-Tabelle herum, als suchte er Daten zur Bestätigung seiner Bedenken.
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