Kopernikus 1
überhaupt heiraten?“
„Weil es eine Verpflichtung ist. Ein Versprechen, das mich daran erinnert: Es gibt etwas, für das es sich lohnt zu leben, auch wenn es keine Zukunft gibt. Unsere eigene Lebensspanne muß nicht so schlecht sein, wenn wir das Beste daraus machen … Und weil …“ – er suchte ihre Augen – „… weil ich dich liebe, Myth.“ Er holte tief Atem.
Sie sah hinab, preßte ihre Finger gegeneinander, wand sie und dachte nach. Wieder sah sie auf, ihre Kehle schmerzte, noch immer nicht in der Lage, die Worte zu sprechen, die schon so lange in ihrem Inneren gefangen waren; sie hoffte, er könne in ihren Augen lesen, was er von ihren Lippen nicht hörte. „Ich bin noch nicht bereit, ya zu sagen, Chaim. Aber ich sage auch nicht nein.“ Sie löste ihre Finger und reichte ihm freiwillig ihre Hand.
Er grinste. „Verdammt – wenn ich es will, kann ich sogar meine verrücktesten Einfälle entsprechend anpreisen.“
Schließlich verließen sie nach langer, langer Zeit doch ihr Schiff und glitten das lange Führungsseil hinunter zu den Kalkutta-Dockanlagen. Das Gelände war übersät mit Medienmännern und Reportern, deren Fragen in ihren Helmlautsprechern dröhnten. Aber auch eine einzelne Gestalt erwartete sie, als sie sich ihren Weg durch die neugierige Menge bahnten. Mythili sah die Insignien auf dem glatten, dunklen Druckanzug, den silbernen, oktagonalen Stern, eingeschlossen in eine Träne, das Symbol des Demarchy. Chaim sah zu der Gestalt hinüber. „Abdhiamal?“ flüsterte er.
Sie nickte. Sie stellte sich sein selbstzufriedenes Lächeln vor, als sie sich ihm näherten, stellte sich die Litanei seiner selbstbeweihräuchernden Glückwünsche vor, die er angesichts ihres Erfolges und ihrer Versöhnung an sich selbst richten würde.
Sie runzelte abrupt die Stirn und gab Chaim einen leichten Stoß. „Bleib mir vom Leibe, Dartagnan. Ich hoffe, nach alldem sehe ich dich niemals wieder!“
Fassungslos starrte er sie an. Sie winkte, und die Überraschung fiel von ihm ab; er lächelte dünn und nickte. „Dasselbe gilt auch für mich, du Miststück. Wenn ich Abdhiamal jemals wiedersehen sollte, werde ich ihm seine Zähne die Kehle hinunterschlagen.“
„Da müssen Sie nicht lange warten.“ Teuflische Zufriedenheit – „Abdhiamal!“ – und amüsierte Überraschung.
Abdhiamal sah von Gesicht zu Gesicht, schüttelte den Kopf, das eigene Antlitz streng. „Nun … dann habe ich nur noch eine Frage an Sie.“
Sie blieben stehen, bemüht, die mörderischen Grimassen beizubehalten. „Und das wäre?“
„Werden Sie mich zum Brautführer nehmen, wenn Sie heiraten?“
Mit stillem Unglauben sahen sie ihn an, dann sich selbst. Langsam zog Chaim den goldenen Ring von seinem Handschuhfinger und drückte ihn in Abdhiamals geöffnete Hand. Lächelnd gingen sie an ihm vorbei, jeder auf einer anderen Seite, und gingen dann langsam, Hand in Hand, über die Dockanlagen dahin.
Nachwort
Kopernikus – zugegeben, dieser Name ist für ein Science-fiction-Magazin in Taschenbuchform ein wenig ungewöhnlich. Da ein solcher Name ja so etwas wie ein Programm symbolisieren soll, war und ist es üblich, vorzugsweise weltraumorientierte oder zumindest im Bereich der Naturwissenschaften angesiedelte Namen für derlei Unternehmungen zu benutzen. Andererseits sind aber, glücklicherweise, die Zeiten vorbei, da Science-fiction ausschließlich etwas für einen kleinen Kreis von Eingeweihten war und aus Gründen der Signalwirkung eines astronomisch-physikalischen Mäntelchens bedurfte. Science-fiction umfaßt so viel mehr als nur die literarische Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Prognosen, daß mir die Suche nach dem letzten noch freien Planeten oder Stern als Namensgeber doch etwas aufgesetzt erschienen wäre.
Also Kopernikus. Auch ein Name, der mit der Astronomie aufs engste verbunden ist, zugleich aber mehr als nur eine astronomische Willensbekundung. Wie kaum ein anderer Mensch seiner Epoche bestimmte Kopernikus das Weltbild unserer heutigen Zeit und damit auch die Grundlagen unserer Zukunft.
Nikolaus Kopernikus wurde 1473 in Thorn/Ermland geboren, studierte kanonisches Recht und Medizin in Italien, war Domherr von Frauenburg und starb 1543. Aus Liebhaberei war er Astronom, und diese Liebhaberei sollte es in sich haben. Sein Werk De revolutionibus orbium caelestium („Über die Umläufe der Himmelskörper“) erschien im Jahre seines Todes – es wird berichtet, daß man dem Sterbenden in
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