Kopernikus 1
nachgebenden Rand der Grube landete und mit rasender Geschwindigkeit abwärts schoß. Sie beschleunigte Chaims freien Fall, indem sie hastig nach seinem Bein griff, als sie an ihm vorübersauste. Ihr Körper schmerzte, gemeinsam fielen sie durch die Trümmer des abbröckelnden Metalls und Betons, einer Kollision mit dem Boden der Grube entgegen. Ihre Füße berührten den Zement mit einer Heftigkeit, die ihr Knochengerüst bis in die kleinsten Knorpel erschütterte.
„Schnell! Schnell …“ Sie bedurfte Chaims zusätzlicher Warnung nicht, um ihren Sturz abzufangen und sich sofort wieder vom Boden der Grube abzustoßen. Er folgte ihr, und gemeinsam schwebten sie wieder der fernen Wand entgegen, während hinter ihnen der fallende Schutt mit lautlosem Donnern hinabstürzte. Am Fuß der Wand kam sie zum Stillstand und sank nieder, vor Schmerz und Erschöpfung zitternd. Sie zwang sich dazu, sich nicht umzusehen.
„Gott sei Dank“, sagte Chaim schnaufend, kraftlos lag er an ihrer Seite. „Gott sei Dank, daß du nicht weggelaufen bist.“
Sie sah zu ihm auf, und plötzlich zitterte ihr Körper unkontrollierbar. „Du Narr! Du verdammter Narr! Warum hast du das getan? Du hast dich ihm direkt entgegengeworfen, es ist ein Wunder, daß er dich nicht geröstet hat! Was, zum Teufel, wolltest du damit beweisen?“
Gelächter ertönte in ihrem Helm, dünn und grau; sie lauschte ungläubig. „Ich kann offenbar nichts tun, mit dem du wirklich zufrieden bist.“ Er erhob sich etwas und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich glaube, ich versuchte zu beweisen, daß das, was auf Planet Zwei geschehen ist, niemals wieder geschehen wird.“
Sie zog ihn zu sich heran, fühlte ihre Körper sich berühren, Anzug an Anzug. Ihre Gesichter trafen sich, Glas an Glas, in völliger Stille.
Sie begruben Fitch in der verlassenen Stadt unter der Fabrik. Nun war er der einzige Bewohner einer Stadt der Toten. Mit gemischten Gefühlen lauschte sie, wie Chaim die Predigt hielt, in der er Fitch ein Symbol für alle Menschen des Himmels bezeichnete und das, was ihn getötet hatte, als symbolisch dafür, wie er sich selbst zerstört hatte, nicht durch die Technologie, sondern durch Habgier.
Und dann trennten sie mit Hilfe der Bergeeinrichtungen des Schiffes die Waldos der zerstörten Fabrik ab und beförderten sie an Bord. Den Preis in ihren Spinnenbeinen festgeklammert, begann die Mutter die Rückreise, zurück durch die leblosen Öden, zurück zum noch immer schlagenden Herzen des Demarchy. Chaim versuchte nicht, die Nähe zwischen ihnen, die sie nicht ignorieren konnte, zu forcieren, was sie dankbar zur Kenntnis nahm. Sie fühlte kein Verlangen, sich zu nähern oder abzulehnen, bevor sie dazu bereit war, und ihr Wissen um sein Verständnis brachte sie einander noch näher. Und während die Reise nach draußen in ihrer Einsamkeit endlos gewesen war, flogen die Tage der Rückreise an ihr vorüber wie ein lauer Nachmittag, während die Vergangenheit weiter und weiter zurückblieb.
Lange bevor sie den Demarchy-Raum erreichten, stellten sie Radiokontakt her, um ihre Ankunft anzukündigen, und waren nicht enttäuscht über die Ungeduld der Antwort. Doch während sie sich dem Kalkutta-Planetoiden näherten, fühlte Mythili, wie ihre innere Spannung ohne ersichtlichen Grund zurückkehrte.
„Mythili … etwas bedrückt dich.“ Über die Tabletts mit dem Essen hinweg, die auf dem Tisch standen, betrachtete Chaim sie ernsthaft. Sein eigener Appetit war in der zurückliegenden Zeit wieder herzhaft angestiegen, während sie lustlos in ihrem mit Gemüse gemischten Reis wie ein unglückliches Kind herumstocherte. „Was ist los?“
Sie sah von dem Videobandrecorder auf, den sie an einer Wand neben dem Tisch angebracht hatten. „Nichts“, sagte sie, nicht in der Lage, etwas Substantielles zu sagen.
„Sag mir doch so etwas nicht. Sag mir, was es ist – etwas, das ich getan habe?“
Der besorgte Ausdruck in seinem Gesicht überraschte sie so sehr, daß sie lachte, ohne es eigentlich zu wollen. „Nein. Nein, du bist nicht dafür verantwortlich, Chaim. Es ist nur … ich weiß es nicht. Ich … ich hasse es nur, daß all dies nun zu Ende geht, glaube ich.“ Ihr Lachen erstarb. „Es ist eine Ironie, ich habe diese Reise und dieses Schiff gehaßt“ – sie meinte, dich, doch das sagte sie nicht –, „so sehr gehaßt, den ganzen ersten Teil der Reise lang; und nun hasse ich es, an das Ende zu denken.“
„Wirklich?“ Das Spiel der
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