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Kopernikus 5

Kopernikus 5

Titel: Kopernikus 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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Westfront
     
    Mit der Dämmerung kam der Regen, und mit dem Regen setzte auch das Trommelfeuer wieder ein.
    Goldberg erwachte widerwillig aus einem flachen, unruhigen Schlaf voller Alpträume. Das schlammgetränkte Tuch der Uniform klebte steif und eisig auf seiner durchweichten Haut. Während er noch vorsichtig den Kopf drehte, um seine verkrampften Nackenmuskeln zu lockern, begann er auch das beharrliche Pochen in seiner linken Hand wieder zu spüren. Der Schmerz war stärker geworden.
    Er lag ganz ruhig da, die Augen noch immer geschlossen, und versuchte die lähmende Benommenheit abzuschütteln, die ihn gefangenhielt. Über ihm zogen mit infernalischem Kreischen die Artilleriesalven dahin.
    Er durfte auf keinen Fall zu spät kommen.
    Goldberg setzt sich abrupt auf, und sein Kopf knallte gegen die rostigen Bodenplatten des ausgebrannten Tanks, unter dem er sich verkrochen hatte. Es fühlte sich an, als habe ihm jemand einen Gewehrkolben über den Schädel geschlagen: ein plötzlicher dumpfer Schmerz, der in den Backenzähnen nachvibrierte.
    Schwindlig und benommen ließ er sich in den stinkenden Matsch zurückfallen und tastete blind nach dem Koffer, von dem alles abhing. Hinter seinen geschlossenen Lidern schienen noch immer neongrelle Spiralen zu rotieren.
    Der Koffer war verschwunden.
    Kein Grund, hysterisch zu werden. Kein Grund, hysterisch zu werden. Kein Grund … Noch immer flach an den Boden gepreßt, begann er systematisch seine Umgebung abzutasten. Er bemühte sich, kein Geräusch zu machen. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Seine Hände waren steif und nahezu gefühllos.
    Der flache, schwarze Koffer war halb in den Schlamm eingesunken. Er lag in einer Pfütze aus Wasser und Dieselöl, direkt neben der gesprungenen Raupenkette des Panzerwracks.
    Hoffentlich ist er auch wirklich wasserdicht, dachte Goldberg müde. War’ ein böser Witz, wenn’s daran scheitern würde. Aber vermutlich haben sie diesen gottverdammten Dauerregen mit einkalkuliert. Sie denken gewöhnlich an alles.
    Er sah auf die Leuchtziffern der schweren Pilotenuhr, die er an der Innenseite des linken Handgelenks trug, direkt über der Pulsader. Achtzehn Uhr dreißig.
    Höchste Zeit aufzubrechen. Wenn ich’s heute nicht schaffe, schaff ich es nie. Kaum anzunehmen, daß er auf mich wartet.
    Er gönnte sich eine allerletzte Minute Ruhe; dann begann er zentimeterweise unter dem Wrack hervorzukriechen, den ungewohnt flachen Stahlhelm tief in die Stirn geschoben. Mit der linken Hand zog er den flachen Koffer nach; die vorgestreckte Rechte hielt eine schwere Drahtzange griffbereit.
    Im Grunde kann ich mich nicht beklagen, dachte Goldberg, während er unendlich langsam durch die regengepeitschte Alptraumlandschaft aus Schlamm und rostigem Stacheldraht kroch. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Der Rumäne hat uns oft genug gewarnt. Was sind schon ein paar Kilometer und ein paar Stunden Abweichung bei dieser Distanz?
    Direkt vor ihm ragte das ausgeglühte Wrack eines Tanks auf, neben dem noch die Leichen der Besatzung lagen. Es war schon zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen, aber der süßliche Verwesungsgestank sagte ihm mehr als er wissen wollte.
    Er verschwendete wertvolle Minuten damit, den Tank im großen Bogen zu umgehen und anschließend mit dem Kompaß an seinem rechten Handgelenk die Marschrichtung zu kontrollieren.
    Bloß jetzt nicht vom Weg abkommen. Die Gräben sind sich hier verdammt nahe. Und ganz egal, aufweiche Seite ich mich verirre, standrechtlich erschossen werde ich auf jeden Fall. Hier ist man schon ein Spion, wenn man bloß die Parole vergessen hat. Nach drei Jahren Grabenkrieg kommt’s auf einen Toten mehr oder weniger nicht mehr an.
    Ein paar hundert Meter vor ihm stieg zischend eine Leuchtkugel auf und tauchte die zerschossene Kraterlandschaft in grellweißes Flutlicht. Gleichzeitig begann ein Maschinengewehr zu feuern. Es war ein ruhiges, beinahe stotterndes Geräusch, nicht das rasche, bösartige Tackern, mit dem Goldberg schon ein Leben lang vertraut war.
    Gute alte Westfront, dachte er zynisch. Richtig gemütlich.
    Im langsam verlöschenden Schein der Leuchtkugel untersuchte er seine linke Hand. Sie war dick angeschwollen, und unter den Schlammspritzern zog sich ein breiter roter Streifen in den Ärmel seines Trenchcoats.
    Blutvergiftung, konstatierte Goldberg nüchtern. Fortgeschrittenes Stadium. Nun ja, ein paar Penicillinspritzen, und ich bin wieder so gut wie neu. Dann fiel ihm ein, daß es hier kein

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