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Lauter reizende alte Damen

Lauter reizende alte Damen

Titel: Lauter reizende alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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1
     
    M r und Mrs Beresford frühstückten. Zur gleichen Zeit saßen Hunderte ganz ähnlicher älterer Ehepaare in England beim Frühstück. Auch der Tag war so normal wie jeder andere: Es sah aus, als regnete es gleich, aber man konnte nicht ganz sicher sein.
    Mr Beresford war früher rothaarig gewesen. Seine Haare hatten jedoch, wie bei vielen Rothaarigen, im Laufe der Jahre ein rötliches Graublond angenommen. Mrs Beresford, die einstmals eine krausgelockte schwarze Mähne gehabt hatte, trug nun willkürlich angeordnete graue Strähnen zwischen dem Schwarz, was apart und hübsch aussah. Früher hatte sie einmal daran gedacht, sich die Haare zu färben, aber dann fand sie doch, dass sie sich so gefiel, wie die Natur es gewollt hatte.
    Ein älteres Ehepaar saß beim Frühstück. Ein nettes, aber keineswegs ausgefallenes Ehepaar. Jeder Beobachter hätte das festgestellt. Wäre er jung gewesen, hätte er vielleicht noch hinzugefügt: »Ja, sehr nett, aber natürlich schrecklich langweilig. Wie alle alten Leute.«
    Mr und Mrs Beresford allerdings hielten sich ganz und gar nicht für alt. Und sie ahnten auch nicht, dass sie und viele ihrer Altersgenossen als »schrecklich langweilig« abgetan wurden, nur weil sie nicht mehr jung waren. Natürlich sagten so etwas nur die Jungen. Die Beresfords hätten dazu nachsichtig festgestellt, dass junge Leute das Leben eben nicht kannten. Arme junge Leute! Ewig hatten sie mit den Examen oder ihrem Liebesleben Sorgen. Mr und Mrs Beresford hatten ihrer Meinung nach soeben erst den Höhepunkt des Lebens überschritten. Sie waren mit sich zufrieden, hatten einander sehr gern und verbrachten ihre Tage friedlich und angenehm.
    Es gab natürlich Augenblicke… aber bei wem gibt es die nicht? Mr Beresford öffnete einen Brief, überflog ihn und legte ihn auf den kleinen Stapel links neben sich. Er griff nach dem nächsten Brief, um ihn zu öffnen, aber dann behielt er ihn einfach in der Hand. Er sah nicht auf den Brief, sondern auf den Ständer mit Toast. Seine Frau betrachtete ihn eine Weile und fragte dann: »Was ist los, Tommy?«
    »Was los ist?«, fragte Tommy vage. »Was ist los?«
    »Das habe ich dich eben gefragt.«
    »Gar nichts ist. Was sollte denn sein?«
    »Du hast an etwas gedacht«, sagte Tuppence Beresford vorwurfsvoll.
    »Ich glaube, ich habe gar nichts gedacht.«
    »Doch. Du hast. Ist etwas passiert?«
    »Aber nein. Was soll denn passiert sein?« Dann fügte er hinzu: »Ich habe die Rechnung vom Klempner.«
    »Aha«, sagte Tuppence verständnisvoll, »sie ist höher, als du gedacht hast, nicht wahr?«
    »Natürlich«, bestätigte Tommy. »Das ist sie immer.«
    »Warum sind wir eigentlich nicht Klempner geworden? Wenn du der Chef wärst, könnte ich als dein Gehilfe gehen, und wir würden das Geld nur so scheffeln.«
    »Ja, wenn wir das früher gewusst hätten!«
    »War das eben die Klempnerrechnung, die du in der Hand hattest?«
    »Nein. Das war nur mal wieder eine Aufforderung, Geld zu spenden.«
    »Wofür? Schwer erziehbare Jugendliche oder Rassenintegration?«
    »Nein. Für ein Altersheim.«
    »Na, das finde ich schon vernünftiger«, sagte Tuppence, »aber ich verstehe nicht, warum du deshalb so ein besorgtes Gesicht machen musst.«
    »Oh, an die Spende hab ich doch gar nicht gedacht.«
    »An was hast du denn gedacht?«
    »Dadurch bin ich wahrscheinlich drauf gekommen«, sagte Mr Beresford.
    »Auf was? Stell dich nicht so an. Du erzählst es mir ja doch.«
    »Ach, es war gar nicht wichtig. Ich hab nur an Tante Ada gedacht.«
    »Ach so«, sagte Tuppence, der plötzlich alles klar wurde. »Ja«, fügte sie nachdenklich hinzu, »Tante Ada.«
    Ihre Blicke begegneten sich. Leider gibt es heutzutage in fast jeder Familie ein Problem, das man »Tante Ada« nennen könnte. Die Namen unterscheiden sich, und statt Tanten könnten es Großmütter, ältere Kusinen oder Großtanten sein. Aber es gibt sie, und man muss sich mit ihnen befassen. Man muss nach einem geeigneten Heim suchen und es besichtigen. Man muss Empfehlungen von Ärzten einholen oder von Freunden, die eigene »Tanten Adas« haben, die »zufrieden und glücklich bis zu ihrem Tode« in »Haus Frieden« oder im »Wiesenheim« gelebt haben.
    Vorbei sind die Zeiten, in denen Tante Elizabeth und Tante Ada und alle anderen im eigenen Haus lebten und von treuen, manchmal tyrannischen alten Dienstboten betreut wurden. Die Tanten Adas von heute müssen versorgt werden, weil sie wegen Arthritis oder Rheuma möglicherweise

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