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Kopernikus 5

Kopernikus 5

Titel: Kopernikus 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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Alptraum, aus dem er jeden Moment aufwachen konnte.
    Irgendwann stellte er fest, daß seine Uhr stehengeblieben war. Auch gut, sagte er sich schulterzuckend, jetzt spielt es keine Rolle mehr. Ich muß ohnehin gleich ankommen, so weit kann es nicht mehr sein.
    Und er wird auch da sein. Er muß einfach da sein. Und ich werde ihm ein für alle Mal zuvorkommen und tun, was getan werden muß, wie ein guter Soldat. Und wenn es das Letzte ist, was ich je im Leben mache.
    Wahrscheinlich ist es das ja ohnehin.
    Mit einem Mal fühlte er sich schwindelig. Ohne zu denken ließ er sich in den nächstbesten Granattrichter fallen und saß minutenlang reglos in einer flachen Pfütze, den schmerzenden Rücken gegen die weiche, klebrige Wand gelehnt, bis die Welt aufhörte, sich vor seinen übermüdeten Augen zu drehen wie ein außer Kontrolle geratenes Karussell. Er hatte ungeheure Sehnsucht nach einer Zigarette, aber der Lichtschein des Feuerzeugs war mehr, als er riskieren durfte, selbst bei diesem Wetter.
    Das hätte mir gerade noch gefehlt, dachte er müde, irgendein dämlicher Scharfschütze, der sich bei mir die Punkte holen will, die ihm noch fehlen für seinen Heimaturlaub. Goldberg kannte sich aus mit Scharfschützen.
    Mit einem einzigen Zug trank er den Rest des schalen Wassers aus der Feldflasche und warf sie dann in hohem Bogen in die Nacht. Er würde sie nicht mehr brauchen, so oder so. Die Flasche schlug mit verräterischem Klatschen irgendwo in der Nähe auf.
    Goldberg zuckte zusammen und saß eine Weile vollkommen reglos. Dann, als alles ruhig blieb, schob er den flachen Stahlhelm ins Genick und begann mit den unkoordinierten Bewegungen eines Betrunkenen langsam aus dem Trichter zu kriechen.
    Während er stumpfsinnig durch den Regen taumelte, seinen vagen Zielkoordinaten entgegen, versuchte er noch einmal, sich seinen Großvater vorzustellen, eingepfercht auf der Ladefläche eines ganz normalen Lastwagens. Aber das angstverzerrte Gesicht hinter dem goldumrandeten Kneifer entglitt ihm noch immer  – stattdessen …
     
    Die Plastikbombe war direkt unter ihrem Kinositz detoniert. Sie brauchten ihren Zahnarzt, um die blutigen Fetzen einwandfrei identifizieren zu können. Selbst Goldberg, der jeden Quadratzentimeter ihrer Haut gekannt hatte, konnte sich nicht ganz sicher sein.
    Wie üblich gab ein Vertreter der PLO eine Erklärung ab, die in den Abendnachrichten auszugsweise gesendet wurde. Goldberg hörte zu, solange er es ertragen konnte. Dann warf er die halbleere Whiskyflasche mitten in das bärtige Gesicht hinter der dunklen Sonnenbrille; die Bildröhre zerplatzte mit dem dumpfen Krachen einer Handgranate.
    Danach begann er, sich systematisch zu betrinken.
    Als Goldberg wieder zu sich kam, war es vier Uhr nachts. Er wußte nicht, welches Datum man schrieb. Er duschte eiskalt, rasierte sich sorgfältig und zog sein letztes sauberes Hemd an. Dann rief er ein Taxi.
    Selbst die Mossad hatte Dienststunden. Goldberg mußte beinahe zwei Stunden vor dem verschlossenen Eingang des Bürohauses warten, von dem ihm ein Bekannter erzählt hatte, bis schließlich ein verschlafener Pförtner auftauchte und ihn einließ.
    „Geben Sie mir ein Gewehr’“, sagte Goldberg.
     
    Man wird nicht als Killer geboren, sie machen einen dazu, dachte Goldberg, während er todmüde durch den eisigen Regen stolperte. Selbst der beste Scharfschütze im skrupellosesten Geheimdienst der Welt wollte eigentlich mal Kunstgeschichte studieren.
    Dann sah er den Vorposten.
    Der Mann saß hinter eine Sandsackbarriere geduckt und versuchte, mit der glimmenden Lunte eines Grabenfeuerzeugs seine pfeife in Gang zu bringen. Vor ihm thronte ein Vickers-Maschinengewehr auf einem gußeisernen Dreibeinstativ; auf der Munitionskiste daneben stand ein Feldtelefon.
    Der ist wohl lebensmüde, dachte Goldberg, auf vorgeschobenem Posten Pfeife rauchen. Seine Augen hatten sich vollkommen an die Dunkelheit adaptiert, und das gelegentliche Aufflammen des Tabaks erschien ihm so grell wie das Mündungsfeuer einer schweren Waffe. Die schlammverkrustete Uniform schien einmal khakibraun gewesen zu sein.
    Wenigstens die richtige Seite. Goldberg begann lautlos auf den Posten zuzukriechen und hielt nur einmal inne, um rasch und lautlos die Leitung des Feldtelefons durchzuschneiden.
    Erst unmittelbar neben dem Posten richtete er sich auf. Der Soldat fuhr erschrocken herum, als habe Goldberg ihn aus seinem ganz persönlichen Traum vom Frieden aufgeschreckt. Die Pfeife verlosch

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