Kopernikus 6
mit euren Eltern?“
Das schien sie zu amüsieren. Electra und Ivrian ergriffen seinen Arm. „Keine Eltern.“ Lachend zogen sie ihn zu den Dünen mit. „Wir stellen dich unseren Gefährten vor.“
Sie lagerten in den Dünen direkt am Strand. Wie auf manchen Gemälden von Renoir stand eine Gruppe von Zelten in bunten Zirkusfarben auf dem Sand: rot und weiß, grün und gelb, blau und golden. Zwischen den leuchtenden Farbklecksen bewegten sich mehrere Dutzend Leute, alle hochgewachsen, schlank und am Lachen, wie die drei Mädchen. Einige trugen keine Kleidung oder nur Körperfarben, andere wiederum hatten sich von Hüfte bis Schulter in Fransen gehüllt oder trugen verkürzte Togas und Sarongs. Was immer sie auch trugen, es war deutlich, daß es eher aus Gründen der Zierde geschah als aus Scham oder Schutz, und alles leuchtete bunt im Nebel.
Die Mädchen riefen ihre Gefährten an und sprachen so schnell mit ihnen, daß Neil nichts verstand. Die anderen eilten auf sie zu. Neil fand sich im Mittelpunkt einer aufgeregten, schnatternden Menge wieder, die an seiner Kleidung zupfte und die Bartstoppeln auf seinem Gesicht berührte. Electra zeigte auf einzelne und rief Namen, die zum größten Teil wie ein undeutlicher Schwaden an ihm vorüberzogen: Clell, Garold, Byron, Capricorn, Aries, Gemini, Pilar, Vesta. Niemand schien einen Familiennamen zu benutzen. Neil fragte sich, ob es wirkliche Namen waren. Die Tierkreisnamen waren doch bestimmt nur angenommen.
Der Trubel um ihn herum war erschöpfend. Er begann, einen Weg hinaus zu suchen.
Hero fing seinen Blick auf und lächelte. „Hier.“ Sie zog an seinem Arm und führte ihn aus der Menge hinaus zu einem Schemel unter einer blau-silbernen Zeltplane.
„Danke.“ Noch nie war er dankbarer gewesen. Er blickte auf die hoch, die ihn umstanden. „Wer seid ihr?“
Einige kicherten.
Electra setzte sich neben ihn auf einen Hocker. „Wir sind … Ausflügler … auf einer Party.“
„Ihr meint – auf Urlaub, Ferien?“
Sie leckte sich über die Lippen. Einen Augenblick lang flackerte ihr Blick von ihm ab. „Ja, auf Urlaub.“
Bevor er sich über den Unterton in ihrer Stimme wundern konnte, sprang sie lachend auf. „Du mußt uns Gesellschaft leisten.“
„Das würde mir gefallen.“ Jeder von ihnen war so außerordentlich schön, daß seine Finger juckten bei dem Gedanken an seinen Skizzenblock und die Kohle, die er in seinem Scout oben am Strand gelassen hatte. „Ich muß nur etwas aus meinem eigenen Lager herbringen.“ Er stand auf.
Electra hakte sich bei ihm unter. „Laß mich mitkommen, es zu holen.“
Sie begleitete ihn den Strand entlang. Der Scout schien sie zu erstaunen. Zunächst betrachtete sie ihn minutenlang, dann bestand sie darauf, daß er ihn mit seinen Vorräten mit zum Lager nehmen sollte. „Du kannst in meinem Zelt wohnen.“
Der Blick, den sie dabei in den Augen hatte, durchströmte ihn mit Wärme. Gleichzeitig konnte er es kaum glauben. Bot sich dieses Kind ihm an? Woher konnte sie wissen, was sie damit tat?
Als könnte sie seine Gedanken lesen, leckte Electra sich die Lippen, fuhr mit der scharfen rosa Zungenspitze langsam über ihren Mund. Sie lächelte.
Neil spürte, wie sein Pulsschlag hämmerte. Sie wußte, was sie tat. In ihrem Lächeln und ihrer Zungenbewegung lag Erfahrung. Es verschlug ihm beinahe den Atem. Außer Connie hatte er schon sehr lange keine andere Frau mehr gehabt, und Electra – er ließ seinen Blick ihren glatten Körper entlangwandern, heftete ihn auf die aufgemalten Sterne, die ihre Brustwarzen und die Schamgegend verdeckten –, Electra war ganz anders als Connie.
Die … wie sollte er sie nennen? Electras Ausdruck würde es wohl tun, dachte er … Die Ausflügler waren gerade dabei, eine Mahlzeit zuzubereiten, als sie im Scout zurückkamen. Er war kaum aus dem Fahrzeug gestiegen, als sie ihn zu einem Hocker zerrten und ihm einen gefüllten Teller reichten.
Er wußte nicht, was es war. Noch nie hatte er etwas Ähnliches gegessen. Es schien aus einem halben Dutzend verschiedener Fleisch- und Gemüsesorten zu bestehen und aus etwas, das Reis glich. Es gab Kartoffeln, die auf eine Weise zubereitet worden waren, wie er sie noch nie gegessen hatte. Das Mahl wurde mit einer Auswahl an Nachtischen beendet, die jedes Feinschmeckerrestaurant hätte beschämen müssen.
„Eßt ihr immer so etwas?“
Electra sah erstaunt aus. „Wenn eine Mahlzeit kein Festessen ist, warum sollte man dann essen?“
Sie sagte
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