Kopernikus 7
wieder, und manchmal ist die Variante, die man gewählt hat, nicht so gut, wie sie ausgesehen hat, ist überhaupt nicht brauchbar. Aber das weiß man erst, wenn das Spiel vorbei ist.“
„Ich hoffe, daß du das wiederholst, wenn ich aus der Wanne herausgeklettert bin“, sagte Kathy. „Ich möchte das alles für die Nachwelt aufschreiben.“
„Ich weiß noch, damals im College – wie viele Möglichkeiten schien das Leben zu haben. Varianten. Ich habe natürlich gewußt, daß ich nur eines meiner Phantasieleben leben würde, aber damals hatte ich sie für ein paar Jahre alle, alle Verzweigungen, alle Varianten. Einen Tag konnte ich davon träumen, ein Romanautor zu sein, am nächsten Tag davon, ein Journalist zu sein, der aus Washington berichtete, am nächsten – oh, ich weiß nicht, ein Politiker, ein Lehrer, was auch immer. Meine Traumleben. Voller Traumreichtum und Traumfrauen. All die Sachen, die ich vorhatte, all die Orte, an denen ich wohnen würde. Natürlich haben sie sich gegenseitig ausgeschlossen, aber da ich keines von ihnen wirklich lebte, lebte ich sie in einem gewissen Sinne alle. Als würde man sich an ein Schachbrett setzen, um ein Spiel zu beginnen, und man weiß nicht, wie die Eröffnung aussieht. Vielleicht wird es eine sizilianische oder eine französische Verteidigung oder eine nach Ruy Lopez. Sie existieren alle nebeneinander, alle Varianten, bis man anfängt, die Züge zu machen. Man träumt immer davon zu gewinnen, egal, welchen Weg man wählt, aber die Varianten sind nach wie vor … verschieden.“ Er trank noch etwas Bier. „Wenn das Spiel erst einmal begonnen hat, sind die Möglichkeiten enger und enger und enger, die anderen Varianten verblassen, und es bleibt einem das, was man hat – eine Position, halb selbstgemacht, halb Zufall, wie er von jenem Fremden auf der gegenüberliegenden Seite des Brettes verkörpert wird. Vielleicht hat man ein gutes Spiel, vielleicht gerät man in Schwierigkeiten, aber auf jeden Fall gibt es genau die eine Position, von der aus man arbeitet. Die Hätte-sein-können-Alternativen sind verschwunden.“
Kathy stieg aus der Wanne und begann sich abzutrocknen.
Dampf stieg aus dem Wasser auf und bewegte sich sanft um sie herum. Peter merkte, daß er sie fast mit Zärtlichkeit ansah, etwas, das er seit langer Zeit nicht mehr empfunden hatte. Dann sprach sie und zerstörte es. „Du hast deinen Beruf verfehlt“, sagte sie, wobei sie mit dem Handtuch flott weiterrubbelte. „Du hättest Plakateschreiber werden sollen. Du hast eine Ader für Plakat-Tiefsinn. Weißt du, so etwas wie: ‚Ich bin nicht auf dieser Welt, um deinen Erwartungen ge…’“
„Genug“, sagte Peter. „Wieviel Blut mußt du noch abzapfen, verdammt?“
Kathy unterbrach sich und sah ihn an. Sie runzelte die Stirn. „Du bist wirklich kaputt, nicht wahr?“
Peter starrte hinaus auf die Berge und machte sich nicht die Mühe zu antworten.
Die Besorgnis verließ ihre Stimme so schnell, wie sie gekommen war. „Eine weitere Depression, was? Trink noch ein Bier, warum nicht? Genieße dein Selbstmitleid noch ein bißchen. Bis Mitternacht wirst du dich zu einem guten, heulenden Elend hochgearbeitet haben. Mach schon.“
„Ich denke immer noch an dieses Spiel“, sagte Peter.
„Spiel?“
„Bei den nationalen Meisterschaften. Gegen Chicago. Es ist sonderbar, aber ich habe ständig dieses eigenartige Gefühl, als … als wäre genau das der Zeitpunkt gewesen, an dem alles angefangen hat, sich negativ zu entwickeln. Wir hatten die Chance, etwas Großes zu tun, etwas Besonderes. Aber sie ist uns entglitten, und seitdem ist nichts mehr richtig gewesen. Eine verlierende Variante, Kathy. Wir haben eine verlierende
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